Sirup: Roman (German Edition)
deutlich zeigt, daß er solche Machtspielchen betreibt, dann statuieren sie an ihm ein Exempel. Obwohl er genau das tut, was sie eigentlich wollen.«
Ich denke über 6s Worte nach. »Klingt ’n bißchen beängstigend.«
»So ist das nun mal in der freien Wirtschaft«, sagt 6.
eine feier mit tina und cindy
Der anstehenden Jubelfeier sehe ich mit gemischten Gefühlen entgegen. Viel lieber würde ich ein paar anregende Stunden ganz allein mit 6 verbringen, statt mit einem Haufen fremder Leute, ihrer Ex-Mitbewohnerin und meiner Ex-Freundin in einer engen Bude aufeinanderzuhocken.
6 drückt auf die Klingel. »Und?« fragt Tina gespannt.
»Hat geklappt«, sagt 6 in die Sprechanlage. Der nun einsetzende kollektive Jubel ist für den Lautsprecher schlicht zuviel. Der Summer wird betätigt, und wir gehen die baufällige Treppe hinauf.
Als wir oben ankommen, fällt Tina 6 um den Hals. »Wir haben es geschafft!« kreischt sie.
»Ist ja schon gut«, sagt 6 leicht genervt.
»Los, kommt schon rein – alle sind wahnsinnig neugierig.«
Wir quetschen uns in Tinas Wohnung, wo sich zirka zwanzig Leute senkrecht stapeln. Die Bude ist total zugequalmt, es gibt reichlich Bier, und modisch dominieren die Siebziger. Fällt mir echt schwer, mir vorzustellen, daß 6 hier mal gewohnt haben soll.
Cindy und James führen eine angeregte Unterhaltung, und ich beschließe, mich erst mal bei ihnen für ihre Mitwirkung in unserem kleinen Filmchen zu bedanken. Also stürze ich mich heldenhaft ins Gewühl. Unterwegs versucht ein Mädchen aus mir unbekannten Gründen, ihre Zigarette an meinem Arm auszudrücken, eine andere junge Dame schüttet mir ihren Drink über die Füße, und irgendein Lustknabe zwickt mich doch tatsächlich in den Hintern.
»Hallo, Scat«, sagt Cindy strahlend. »James kennst du ja schon.«
»Klar doch«, sage ich und schüttle ihm die Hand. »Hey, vielen Dank noch mal für eure Hilfe. Ihr habt uns echt gerettet.«
»Schon gut«, sagt Cindy. »Das Thema sollten wir besser nicht vertiefen.«
Ich strahle sie an. »Um so besser.«
»Hey, warte mal«, sagt sie. »Ich hab dir was mitgebracht. Du hast doch deine ganzen Klamotten noch bei mir in der Wohnung, deshalb dachte ich…«
»Was, du hast meine Sachen mitgebracht?« frage ich tief gerührt. »Das find ich total nett von dir.«
»Hmm«, sagt sie fast entschuldigend, »nicht alles – nur dein Ladegerät.« Sie holt ein undefinierbares Drahtgewirr aus ihrer Handtasche hervor und gibt es mir.
»Oh«, sage ich und starre zuerst den Schrotthaufen und dann sie an. Sie wirkt etwas verlegen und blickt auf den Teppich. »Na dann«, sage ich, »nochmals besten Dank, Cindy.«
kunstvermarktung
Eigentlich bin ich davon ausgegangen, daß 6 die Party nach ungefähr fünf Minuten wieder verläßt, doch drei Stunden später ist sie immer noch da, trinkt Wodka pur und behauptet den Ehrenplatz auf dem Sofa. Irgendwie gelingt es mir, mich auf ein, zwei Meter an sie heranzupirschen, bis ich in einem Trupp steckenbleibe, dem auch Tina sich zugesellt hat. Wir beginnen sofort eine muntere Unterhaltung.
»Und – wie kommst du damit zurecht«, sage ich, »daß ein Gremium profitgeiler Manager an deinem Kunstwerk Gefallen gefunden hat?«
Tina nippt an ihrem Bier. »Das Ding, das wir heute fabriziert haben, ist doch kein Kunstwerk.«
»Ich meine den Film. Ist doch ein Kunstwerk?«
»Nein«, sagt Tina, »natürlich nicht.«
Ich blick nicht mehr so recht durch. »Wieso?«
»Kunst und Marketing – ist doch ein Widerspruch in sich«, sagt Tina. »Entweder man macht das eine oder das andere.«
»Oh, bitte nicht wieder diese Leier«, sagt 6 vom Sofa aus.
Tina ignoriert sie. »Ich hab diesen Film nur für euch gemacht – und zwar in der erklärten Absicht, ein paar Anzüge zu beeindrucken. Daß dazu bestimmte künstlerische Verfahren erforderlich sind, ist doch total belanglos.«
»Ein Film, der sich an einen bestimmten Markt wendet, ist also nach deinem Kunstverständnis prinzipiell Schrott«, sage ich.
Tina nickt. »Genau das.«
Ich lege die Stirn in Falten. »Und wenn ich ein Kunstwerk vermarkte? Wie ist es dann – handelt es sich dann noch um Kunst?«
»Ein echtes Kunstwerk kann man nicht einfach hernehmen und kommerziell ausschlachten.« Sie nippt wieder an ihrem Bier. »Jedenfalls nicht, ohne seine künstlerische Aura zu zerstören.«
»Tina, so ein Schwachsinn«, sagt 6 und steht auf. »Nehmen wir an, ich zeig dir ein Gemälde, ohne dir zu sagen, ob ein
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