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Sister Sox

Titel: Sister Sox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Öffentlichkeitsarbeit in der Erzdiözese München und Freising aufgestapelt. Die Verstorbene hatte sich strikt an das Prinzip gehalten, dass mit der Kirche oder mit Klerikern Zusammenhängendes irgendwie geweiht war und daher nicht in den Hausmüll geworfen werden durfte. Nur Verbrennen wäre zulässig gewesen. Nach Umstellung ihrer Wohnung auf Zentralheizung war ihr aber auch diese Möglichkeit verbaut. Also sammelte sie. Nur ein früher Jahrgang Feuerreiter und die Autogrammkarten der Kardinäle Faulhaber und Wendel schienen mir erhaltenswert. Der Rest wäre allenfalls etwas fürs Caritasheim gewesen. Auch sonst war nur Schrott in der Wohnung. Zwischen vergilbter Wäsche in Schränken immer wieder Bildchen vom heiligen Antonius. Offenbar hatte sie viel verloren und vergessen. Alzheimer, bestätigte die Tochter, als ich mich von ihr verabschiedete.
    Gegen Mittag war ich wieder zurück und hatte wenig auszuladen. Nichts, was sich wirklich gelohnt hätte: etwasPorzellan, zwei Ölgemälde und eine alte Waschschüssel mit Krug. Der Rest war Müll, den ich gleich entsorgte. Aber das gehörte zum Geschäft, man konnte vorher nie genau sagen, ob solche Aufträge Nieten oder Treffer waren. Ich stellte meine magere Ausbeute im Laden ab.
    Dann schnappte ich mir die Karte, die ich bei Pia eingesteckt hatte, und wählte die Nummer der Oase . Eine Frauenstimme auf Band, so lasziv wie Kunsthonig, sagte, dass der Club und auch alles andere ab 16 Uhr geöffnet sei. Man war also geschäftlich gewieft: Wer schon vor 16 Uhr Zeit zu einem Fick hatte, war entweder arbeitslos und daher nicht solvent genug oder so reich, dass er definitiv nicht in eine derartige Klitsche ging.
    Bis dahin waren es noch fast vier Stunden. Für solche Fälle habe ich unter dem Bett meine Sporttasche stehen. Vor acht Jahren hatte mich ein Bandscheibenvorfall umgenietet. Den hatte ich mir beim Anheben eines Toilettentischs zugezogen. Als ich wieder auf den Beinen war, wurde ich Abonnent von Ben’s Kraftstudio ganz oben im ausgebauten Speicher eines Altbaus am Zenettiplatz. Zum Einstand musste ich mich damals auf einer Massagebank flachlegen, damit Ben mich untersuchen konnte.
    – Gossec, sagte er, du bist so wabbelig wie ein Pudding.
    Ben trägt seit jeher einen Stiftenkopf wie ein GI. Er ist dürr und sehnig, dabei aber zäh wie Juchtenleder. Dann schlug er mir patschend auf den Arsch.
    – In zwei Jahren bringe ich dich dahin, dass du mit deinen Backen wieder Nüsse knacken kannst wie in deiner besten Zeit.
    Das war heillos übertrieben, aber als er mich neulich durchcheckte, meinte er, meine Oberkörpermuskulatur sei auf dem besten Wege, sich zum Full Metal Jacket zu entwickeln. Ben liebt es drastisch, aber seit meiner Arbeit an den Kraftmaschinen hatte ich mir beim Heben tatsächlich nichts mehr verrissen.
    Normalerweise ging ich morgens dumpf, noch ziemlich verkatert in das Studio, um das Hirn wieder durchzuputzen und mich auch sonst in Fahrt zu bringen. Das kostete mich einige Überwindung. In der Umkleide fiel meine Stimmung auf den Tiefpunkt, die Verhältnisse dort waren eine einzige Sauerei. Nicht in hygienischer Hinsicht, sondern weil man den anderen notgedrungen zusehen musste. Einzelkabinen gab es da nicht, nur Spinde. Vor einiger Zeit waren die Muskelmänner unter sich, aber inzwischen schälten sich schon alte Männer aus ihren grauen Hosen und standen dann in sackartig weiter Unterwäsche da. Die Alten waren eklig und die Jungen Schweine. Denn die kamen von den Geräten zurück, dampfend in ihrer Synthetiksportkleidung, streiften die enge Schale ab, rubbelten sich Deostift unter die Achseln, zogen sich an und verschwanden, Geruchsschwaden wie parfümierte Pumas hinter sich her ziehend. Dass Männer in meinem Alter besonders gründlich duschten, dagegen gab es nichts einzuwenden. Da wurde nicht an Gel, Shampoo und Conditioner gespart; man ölte sich anschließend tüchtig ein und trug ein Duftwasser auf. Das Schlimme bei dieser Altersgruppe war, dass sie sich so ungehemmt verhielt wie zu Hause im Badezimmer. Dieter, der mir auch sonst auf die Nerven fiel, roch prüfend an allem, was er auszog: Strümpfe,Unterhose, Shirt. Meistens wurde das Stück dann in einer Plastiktüte versenkt. Nun trat Dieter an den Spiegel, besah sich von vorne, von der Seite und fönte dabei seine schweißnassen Turnschuhe trocken. Zuhauen, dachte ich jedes Mal. Vielen täte es gut, wenn man ihnen eins hinter die Löffel gäbe. Gar nicht groß herumreden, einfach

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