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Sisters of Misery

Titel: Sisters of Misery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Kelley Hall
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angespannt begonnen hatte, schienen der Spaziergang durch die weihnachtlich mit Lichterketten dekorierten Geschäftsstraßen und die heiße Schokolade und der Glühwein, den sie unterwegs schlürften, Tess allmählich aufzuheitern. Maddie war überglücklich.

    Während sie an den liebevoll geschmückten Ständen und Schaufenstern vorbeischlenderten, schwelgten sie in Erinnerungen an vergangene Weihnachtsmärkte, die sie gemeinsam erlebt hatten, lauschten den Weihnachtsliedern, bewunderten die Eisskulpturen und atmeten den Duft von Holzfeuern und Tannen ein, der in der Luft lag. Sie sprachen über sorglose Zeiten. Glückliche Zeiten - bevor Cordelia wie eine lodernde Streichholzflamme in ihr Leben getreten und nur wenige Augenblicke später wieder erloschen war.
    Tess war in Maddies Leben immer diejenige gewesen, die ihr Trost gespendet hatte, die Mutter, die sie sich immer gewünscht hatte. Wenn das Tosen der Meeresbrandung sie als Kind mitten in der Nacht aus ihren Träumen gerissen hatte, war sie es gewesen, die ihr beruhigende Worte ins Ohr flüsterte und sie liebevoll wieder in den Schlaf wiegte. Bei Flut hatte Maddie sich nämlich immer davor gefürchtet, dass die Wellen, deren rauschendes Echo die verwinkelten Kopfsteinpflastergassen hinaufhallte, ihre gierigen Finger bis zu dem von Tuberosen und Klematis bewachsenen Gartenzaun ausstrecken und von dort aus durch den quietschenden Laden ihres Fensters bis in ihr Zimmer schwappen könnten, wo sie sich in ihrer albtraumhaften Vorstellung einen Weg über den knarrenden Dielenboden bahnten, an ihrer Steppdecke zerrten und raunten: Komm und spiel mit uns.
    Wenn die Angst vor der wogenden, brüllenden See zu übermächtig wurde, rannte Maddie mit nackten Füßen über die knarrenden Dielen in Tess’ Zimmer und schlüpfte zu ihrer Großmutter ins Bett, die sie dann immer liebevoll in den Arm nahm und ihre Ängste vertrieb. Damals hatte Tess sie stets über alles Schlimme hinwegtrösten und die Monster, die Maddie in ihren Träumen heimgesucht hatten, verscheuchen können. Aber jetzt - nach Cordelias Verschwinden, Rebeccas Zusammenbruch und ihrem eigenen Kampf gegen ihre zunehmende
Verwirrtheit - war selbst Tess nicht mehr in der Lage, alles Böse zu vertreiben.
    Doch es hatte keinen Sinn, sich diesen düsteren Gedanken hinzugeben. Sie schüttelte sie von sich ab, genoss den Moment und ließ sich bereitwillig von der Weihnachtsstimmung mitreißen. Wenigstens für eine kleine Weile konnten sie so tun, als wäre ihre Welt noch heil. Arm in Arm schlenderten sie von Geschäft zu Geschäft, suchten sich gegenseitig Geschenke aus und bewunderten andächtig die Schaufensterdekorationen, als Tess plötzlich wie angewurzelt stehen blieb und Maddies Hand umklammerte. Im ersten Moment befürchtete Maddie, ihre Großmutter hätte einen Herzanfall, aber als sie ihrem entsetzten Blick folgte, verstand sie, was Tess so aus der Fassung brachte. Auf das Sperrholz, mit dem die Fenster und die Eingangstür von Rebeccas Laden bis zu ihrer Rückkehr gesichert waren, hatte jemand in riesigen blutroten Blockbuchstaben die Worte »STIRB HEXE« gesprüht. Tess drückte Maddies Hand so fest, dass ihre Finger taub wurden.
    Â»Lass uns nach Hause gehen«, sagte sie energisch. »Sofort.« Eilig traten sie den Rückweg an, und während sie schweigend nebeneinander hergingen, sah Maddie, wie sich Tess immer wieder die Augen abtupfte. Abigail gegenüber verloren sie kein Wort über das, was sie gesehen hatten - aber auch sie selbst sprachen nicht mehr darüber.
    Irgendjemand hatte ihnen eine unmissverständliche Botschaft geschickt - und sie war angekommen. Laut und deutlich.

    Am Abend nach ihrem Besuch des Weihnachtsmarkts hörte Maddie sich weiter geduldig die Geschichten an, die Tess ihr über Hawthorne und die ersten Siedler erzählte. Es half beiden,
mit dem klarzukommen, was sie nachmittags an Rebeccas Laden entdeckt hatten.
    Obwohl Maddie die Geschichten ihrer Großmutter schon unzählige Male gehört hatte, wurden sie ihr nie langweilig. Und jetzt da Tess geistig zusehends verfiel und ihre Geschichten und Erinnerungen für immer zu verlieren drohte, war Maddie umso begieriger, sie wieder und wieder zu hören, damit sie niemals ganz in Vergessenheit geraten würden.
    Â»Es überrascht mich kein bisschen, was sie da auf Rebeccas Laden

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