Sisters of Misery
einem Achselzucken ab und sagte ruhig: »Du gehst doch auf die Hawthorne Academy.«
Er hatte ein auffallend hübsch geschnittenes Gesicht, das in krassem Gegensatz zu seinen zotteligen langen Haaren, dem Kinnbärtchen und dem ölverschmierten Overall stand. Mit seinen hohen Wangenknochen und dem markanten Kinn hob er sich extrem von den teiggesichtigen, Baseballkappen tragenden Typen ab, die Maddie von der Schule kannte. Er sah wirklich extrem gut aus.
» Du gehst auf die Hawthorne Academy?« Beim Klang ihrer Stimme zuckte sie unwillkürlich zusammen - sie hatte sich wie eine typische überhebliche Privatschülerin angehört. »Ich meine ⦠also, was ich sagen wollte ⦠äh ⦠haben wir vielleicht irgendwelche Kurse zusammen?« Gott, ich bin so eine arrogante Zicke.
Er schüttelte den Kopf und verzog den Mund zu einem winzigen Lächeln, bevor er sich eine Zigarette anzündete. »Fehlanzeige. Ich geh auf die Berufsfachschule in Lynn, erledige aber hin und wieder kleinere Jobs an der Academy. Mein alter Herr ist dort Hausmeister.«
»Dann bist du OâMalley?«
»Jep, Finnegan OâMalley höchstpersönlich.« Er betrachtete sie einen Moment lang aufmerksam. »Sieht man mir gar nicht an, was? Bin eher der typische âºSchwarze Ireâ¹, wie man so schön sagt.«
Er schien ihre Gedanken gelesen zu haben. Hinter dem Namen OâMalley hätte sie niemals jemanden mit so exotischen
Zügen vermutet. Seine Augen waren so schwarz, dass man kaum die Pupillen erkennen konnte. Unter seinem durchdringenden Blick fühlte sie sich seltsam entblöÃt. Er sah ganz anders aus als alle anderen Leute in Hawthorne. Maddie war erstaunt, dass er ihr bis jetzt noch nie aufgefallen war.
»Du bist Cordelias Cousine.« Es war eine Feststellung, keine Frage, und Maddie wusste erst einmal nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie fühlte sich ein wenig unbehaglich. Normalerweise redeten die Leute von Cordelia als »Maddies Cousine« - und nicht umgekehrt. Aber trotz der kurzen Zeit, die Cordelia im Ort gelebt hatte, schien sie für ihn diejenige zu sein, die nach Hawthorne gehörte. Als wäre Maddie bloà eine Besucherin.
»Hast du sie gekannt? Ich meine, ich weiÃ, dass jeder hier sie kennt, aber â¦Â« Maddie stockte und suchte nach den richtigen Worten. »Hast du sie persönlich gekannt? Sie wohnte ja noch nicht besonders lange hier.« Sie war verwirrt. Eigentlich hatte sie geglaubt, jeden zu kennen, den Cordelia kannte - schlieÃlich war sie diejenige gewesen, die sie allen vorgestellt hatte. Wie konnte also dieser ihr völlig unbekannte Typ sie kennen? »Wart ihr miteinander befreundet?«
Einen Moment lang setzte er ein abweisendes Gesicht auf und fixierte über ihre Schulter hinweg einen Punkt in der Ferne. Dann nahm er einen tiefen Zug von seiner Zigarette und nickte, als er den Rauch ausstieÃ. Ein Lächeln spielte in seinen Mundwinkeln, und seine Augen wirkten entrückt, als wäre er tief in Gedanken versunken. So sah man normalerweise nur aus, wenn man an einen Menschen dachte, den man sehr gut kannte.
»Ich hab von den Geschichten über sie gehört. Warum sie angeblich verschwunden ist und so.« Er ging an ihr vorbei und stellte sich hinter die Ladentheke. »Wir sind uns ein paarmal begegnet. Eigentlich hab ich immer gedacht, auÃer mir
wäre niemand so durchgeknallt, mitten in der Nacht durch die Stadt zu spazieren - mal abgesehen von den Besoffenen, die nach der Sperrstunde aus dem Sea Cap torkeln.« Er hielt kurz inne und lächelte, bevor er fortfuhr. »Ich hab deine Cousine nachts an den verrücktesten Orten getroffen.« Er kratzte sich bedauernd am Hinterkopf. »Echt hart, dass sie einfach so verschwunden ist. Besonders nach allem, was sie durchgemacht hat. Tut mir wirklich leid ⦠ich meine, für dich und deine Familie ⦠und für Cordelia.«
»Na ja, weiÃt du â¦Â« Maddie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Aus irgendeinem Grund machte es sie unglaublich nervös, mit diesem fremden Jungen - diesem sehr süÃen fremden Jungen - über Cordelia zu sprechen. Sie wusste nicht, woran es lag, aber irgendetwas an seiner bloÃen Anwesenheit, der Art, wie er sie anschaute, als könne er tief in ihr Innerstes sehen, verunsicherte sie zutiefst. »Du scheinst sie ja ganz gut gekannt zu haben, ich meine, so wie du über
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