Sisters of Misery
stand nach der Scheidung mit ihrer Mutter plötzlich vor dem Nichts. Die Cranes hatten zwar dem sogenannten alten Geldadel angehört, aber Malcolm hatte den GroÃteil des Familienerbes verspielt und versoffen. Maddie konnte sich kaum noch an ihren Vater erinnern, und wenn ihr doch wieder etwas zu ihm einfiel, dann war es nie etwas Gutes.
Als Maddie nach Hause kam, hatte sie das unbestimmte Gefühl, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte. Tess saà im Wohnzimmer und sang leise ein Lied vor sich hin, das von einem jungen Mädchen mit »purpurrotem Haar einer Rose gleich« handelte, aber plötzlich wurde ihre zittrige Stimme von lautem Poltern übertönt. Es hörte sich an, als würden eine Etage höher Möbel über den Holzboden gezogen.
Maddie lief die Treppe hinauf und sah, dass Abigail dabei war, die Zimmer von Cordelia und Rebecca umzuräumen und ihre Sachen in Kisten zu verpacken.
»Was machst du da?« Maddie blickte sich stirnrunzelnd in dem Raum um.
»Ich?« Abigail setzte ein gezwungenes Lächeln auf. »Ach weiÃt du, wenn Rebecca aus Ravenswood entlassen wird, braucht sie bestimmt ihre Sachen, und ich dachte, dass ich einfach schon mal alles für sie zusammenpacke, dann haben wir wieder mehr Platz.«
Mehr Platz?, wunderte sich Maddie. Das riesige Haus war
für drei Leute schon fast zu groÃ. Und Tess bewegte sich sowieso nur noch zwischen ihrem Bett und dem Schaukelstuhl im Wohnzimmer hin und her. Warum hatte es ihre Mutter so eilig, jegliche Spuren von Rebecca und Cordelia zu beseitigen?
»Aber ⦠was ist, wenn sie zurückkommen?«, fragte sie vorwurfsvoll. Eigentlich hätte es Abigail traurig machen müssen, die Sachen ihrer psychisch kranken Schwester und ihrer spurlos verschwundenen Nichte zusammenzupacken. Aber Maddie hatte den Eindruck, dass es ihrer Mutter fast Spaà machte, obwohl nicht einmal feststand, ob die beiden jemals wieder zurückkommen würden - oder konnten -, um ihre Besitztümer abzuholen.
»Ach Maddie, nun sei nicht albern«, entgegnete Abigail unwirsch. »Cordelia hat mittlerweile deutlich genug gemacht, dass sie nicht vorhat, jemals wieder in dieses Haus zurückzukehren ⦠oder in diese Stadt. Und Rebecca ⦠tja, Rebecca wird ohne Cordelia sowieso nicht mehr hier leben wollen.« Sie blickte ihrer Tochter fest in die Augen und redete mit ihr wie mit einem kleinen Kind. »Sieh mal, selbst wenn diese hinterhältige kleine AusreiÃerin zurückkommen sollte, möchten die beiden bestimmt nicht hierbleiben, sondern so weit wie möglich von Hawthorne wegziehen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass sie wieder nach Kalifornien zurückkehren. Da passen sie sowieso viel besser hin.« Sie beugte sich geschäftig über eine der Kisten. »Wahrscheinlich hat sie das Wetter hier in den Wahnsinn getrieben - wobei es nie viel gebraucht hat, um Rebecca aus der Fassung zu bringen. Wahrlich nicht. Die beiden sind einfach viel zu verweichlicht, um die strengen Winter in Neuengland auszuhalten, die langen Nächte, die eiskalten Tage â¦Â«
Maddie ging aus dem Zimmer, ohne abzuwarten, bis Abigail ihren Satz beendet hatte. Sie hatte genug gehört. Ihre Mutter radierte Rebecca und Cordelia und die Zeit, die sie in
Hawthorne gelebt hatten, genauso aus ihrem Gedächtnis, wie sie alle Erinnerungen an ihren Mann ausradiert hatte, als er sie sitzen lieÃ. Im ganzen Haus gab es kein einziges Foto von ihm. Alles, was er ihnen jemals gekauft oder geschenkt hatte, war in der Minute zerstört worden, als er sie verlieÃ. Wer Abigail verlieÃ, wurde einfach ausradiert. Existierte nicht mehr. Maddie fragte sich, was passieren würde, wenn sie ihre Mutter eines Tages verlassen würde.
Würde es ihr genauso leicht fallen, ihre eigene Tochter auszuradieren?
14
FEHU
GLÃCK UND REICHTUM
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Nährt persönlichen Reichtum und Gier
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MÃRZ
Meine SüÃe,
»Sie schreitet in Schönheit, wie die Nacht â¦Â« Jedes Mal wenn ich dein Gesicht sehe, muss ich an diese Zeile aus Lord Byrons Gedicht denken. Wann ich dich wohl wieder in meinen Armen halten werde? Und wenn es nur ein winziger Augenblick wäre, er würde mich mein Leben lang glücklich machen. Deine Augen sind Seen von klarer blauer Ruhe. Wenn du mich ansiehst, erfasst mich ein unbeschreiblicher Rausch, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe.
Noch ist unsere Zeit nicht
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