Sisters of Misery
Fensterscheiben hinter den verrosteten Sicherheitsgittern waren zerbrochen, spitz und scharfkantig wie die ReiÃzähne eines Ungeheuers. Efeuranken wanden sich wie Tentakel an dem Gebäude empor, als versuchten sie, die gotische Festung in die Hölle hinunterzuzerren - dorthin zurück, wo sie ihren Ursprung hatte.
Maddie parkte den Wagen und betrat das Gebäude. Nur mit Mühe widerstand sie dem Drang, es sofort wieder zu verlassen. Hoffentlich konnte sie die Formalitäten für Rebeccas Verlegung in die neue Einrichtung schnell erledigen. Es war ihr schon schwer genug gefallen, drauÃen zu warten, während Tess Rebecca besuchte, aber nun selbst an dem Ort zu sein, der sie während ihrer gesamten Kindheit immer wieder verfolgt hatte, war beinahe unerträglich.
Sie hatte das Gefühl, in das gefräÃige Maul eines Monsters getreten zu sein und bei lebendigem Leib verschlungen zu werden. Die negative Energie, die sie umgab, war körperlich spürbar, und in der schweren, stickigen Luft hing der Geruch von Verwesung. Seltsam verzerrte Laute drangen von überall her an ihr Ohr - eine Kakophonie aus ächzendem Stöhnen und schmerzerfüllten Schreien. Und immer wieder glaubte sie, verlorene Seelen vorbeihuschen zu sehen, die sie aus dunklen Augenhöhlen in totenbleichen Gesichtern anstarrten.
Sie blieb in der Tür zum Aufenthaltsraum stehen und versuchte,
Rebecca unter den Patienten auszumachen. Eine Frau stand vor einem ausgeschalteten Fernseher und drückte ohne Unterlass auf den Knöpfen herum. An einer schimmelfleckigen Wand saà ein nur mit schmutzigen Boxershorts und einem zerschlissenen Bademantel bekleideter Mann, der in eine Unterhaltung mit einem unsichtbaren Gesprächspartner vertieft war. Maddie spähte in den ihr endlos lang erscheinenden und von lautlosen Schatten bevölkerten Flur zurück, in dem kaputte Gerätschaften und altersschwache Rollstühle auf ihre Entsorgung warteten.
Eine untersetzte Schwester ging an ihr vorbei, blieb dann ein paar Schritte weiter stehen und drehte sich seufzend zu ihr um. Ihre groÃe Himmelfahrtsnase erinnerte an einen Rüssel.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte sie.
»Ja, mein Name ist Madeline Crane. Ich möchte Rebecca LeClaire besuchen. Ich bin ihre Nichte.« Maddie lächelte. Die sieht fast genauso aus wie Schwester Ratched aus »Einer flog über das Kuckucksnest«, dachte sie leicht amüsiert.
»Tja, und mein Name ist Dot«, bellte die Frau. »Ich bin die Pflegerin Ihrer Tante. Was Sie wissen würden, wenn Sie Ihre Tante mal besucht hätten, aber ich nehme an, dass Sie und Ihre Mutter zu beschäftigt waren.«
Die harsche Kritik traf Maddie völlig unvorbereitet, aber sie war fest entschlossen, sich von dieser mürrischen Frau nicht aufhalten zu lassen und wie geplant den Papierkram zu erledigen und Rebecca zu besuchen.
»Könnten Sie mir bitte zeigen, wie ich zum Zimmer meiner Tante komme?« Es kostete sie einige Mühe, höflich zu bleiben, aber sie wollte die ganze Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Schwester Dot drehte sich wortlos um, und Maddie folgte ihr, bis sie plötzlich vor einem gigantischen Treppenaufgang stehen blieb, der von oben bis unten mit einem dichten
Maschendrahtnetz gesichert war, höchstwahrscheinlich um die Insassen davon abzuhalten, sich in den Tod zu stürzen.
»Und Sie sind auch ganz sicher nicht von der Presse?« Schwester Dot fasste Maddie am Arm und sah sie prüfend an. »Wir haben nämlich genug von diesen neugierigen Reportern, die überall ihre Nase reinstecken. Unser Haus schlieÃt, ist das für die Menschen hier nicht schon schlimm genug? Nein, dieser Ort ist nicht verflucht. Nein, wir misshandeln unsere Patienten nicht. Und nein, Sie dürfen mich nicht zitieren. Haben wir uns verstanden?«
Vor nicht allzu langer Zeit hätte Maddie in so einem Moment eine Entschuldigung gestammelt. Aber sie hatte sich verändert. »Darf ich?« Ungehalten entwand sie ihren Arm Schwester Dots eisernem Griff. »Und jetzt hören Sie mir mal gut zu! Wenn Sie sich mit neugierigen Reportern herumschlagen müssen, die sich dafür interessieren, wie es zum Niedergang dieser tadellos geführten Einrichtung kommen konnte, dann ist das Ihr Problem«, sagte sie mit sarkastischem Unterton. »Mir ist es nämlich ziemlich egal, was hier vor sich ging, und was den Staat
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