Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
und unter der Macht des Mondes …«
Wir sahen einander an.
»Woher weißt du …« Ich blickte ihr über die Schulter.
Sie blätterte um. »Das ist die Übersetzung. Jemand hat hier auf der R ückseite angefangen, denText zu übersetzen. Siehst du, auch die Tinte hat eine andere Farbe.«
Sie hatte recht. Auch diese Seite war bestimmt viele hundert Jahre alt, aber es war eine andere, wenn auch ebenso elegante Handschrift und es war auch nicht dieselbe braune Tinte, oder was auch immer es sein mochte.
»Blättere noch einmal zurück.«
Sie hielt das Buch hoch und las vor:
»Die Berufung, So sie erfolget ist, kann nicht mehr ungeschehn gemachet werden. Die Wahl, einmal getroffen, kann nicht mehr rückgängig gemachet werden. der, dem grosse Kräffte gegeben sind, gehet entweder in die grosse Dunkelheyt oder in das grosse Licht ein – für alle Zeyt und Ewigkeyt. so die Zeyt verrinnet und die letzte Stunde des sechzehnten Mondes verstreychet, ohne dass die wahl getroffen wurde, gerät die Ordnung der Welt aus den Fugen. Das darf nicht sein. Das Buch wird binden für alle Zeyt, was noch nicht gebunden ist.«
»Also gibt es wirklich keine Möglichkeit, dieser Berufungssache zu entgehen?«
»Genau das versuche ich dir ja die ganze Zeit zu erklären.«
Ich starrte auf dieWorte, aber das half mir auch nichts. »Aber was genau passiert, wenn du berufen wirst? Sendet dieser Mond, der dich beruft, so etwas wie magische Strahlen herab?«
Sie überflog die Seite. »Dazu steht hier nichts Genaues. Ich weiß nur, dass es bei Mondschein zu Mitternacht geschieht – in der Mitte der grossen Finsterniss und unter dem grossen Licht, von dem wir kamen. Aber es kann irgendwo geschehen. Ganz ohne magischen Strahl und so weiter.«
»Aber was genau geschieht dann?« Ich wollte alles wissen, und ich hatte noch immer das Gefühl, dass sie mir etwas verschwieg.
Sie schaute nicht hoch. »Für die meisten Caster ist es eine bewusste Entscheidung, genau wie es hier steht. Der, dem große Kräfte gegeben sind, der Caster, trifft die EwigeWahl. Er wählt selbst aus, ob er auf die Lichte oder die Dunkle Seite gehen will. Er hat den freien Willen und die Mittel zu handeln, so wie auch Sterbliche gut oder böse sein können, nur dass ein Caster dieseWahl für alle Zeiten trifft. Sie wählen das Leben, das sie führen wollen, sie wählen, wie sie mit derWelt und miteinander umgehen wollen. Es ist einVertrag, den sie mit der natürlichenWelt, der Ordnung der Dinge, abschließen. Ich weiß, das hört sich bescheuert an.«
»Und das, wenn du sechzehn Jahre alt bist? Wie sollst du da schon wissen, wer du bist und wer du für den R est deines Lebens sein willst?«
»Na ja, das sind die Glücklichen, die wählen können. Ich habe dieseWahl nicht.«
Ich brachte es fast nicht über mich, die nächste Frage zu stellen. »Und was passiert dann mit dir?«
» R eece sagt, man verändert sich von einem Moment zum nächsten. Binnen einer Sekunde, es dauert nur einen Herzschlag lang. Man spürt die Energie, die Kraft, die durch den Körper strömt, es ist beinahe so, als käme man in diesem Augenblick zurWelt.« Sie sah mich traurig an. »Wenigstens hat R eece das so gesagt.«
»Das klingt doch gar nicht schlecht.«
» R eece beschrieb es als ein überwältigendes Gefühl der Wärme. Sie sagte, es war, als hätte die Sonne sie beschienen. Und in diesem Augenblick, sagte sie, sei einem einfach klar, welcherWeg einem bestimmt ist.« Es klang so einfach, es klang so schmerzlos, ich war überzeugt, dass sie mir etwas verschwieg. Zum Beispiel, wie es war, wenn man ein Dunkler Caster wurde. Ich wollte nicht darauf herumreiten, obwohl ich wusste, dass es uns beide beschäftigte.
So einfach?
So einfach. Es tut nicht weh, gar nichts, wenn es das ist, was dir Sorgen macht.
Das war das eine, was mich beunruhigte, aber es war beileibe nicht das Einzige.
Ich mache mir keine Sorgen.
Ich auch nicht.
Und wir beschlossen, jeder für sich, nicht länger an den Dingen zu rühren, die uns im Kopf herumgingen.
Die Sonnenstrahlen krochen über den geknüpftenTeppich auf dem Fußboden, das orangefarbene Licht ließ seine Farben in hundert Goldnuancen aufleuchten. Einen Moment lang schimmerte alles golden, worauf das Licht fiel, Lenas Gesicht, ihre Augen, ihr Haar. Sie war schön, sie war hundert Jahre und hundert Meilen weit weg von mir, und genau wie die Gesichter in dem Buch hatte sie etwas nicht ganz Menschliches an sich.
»Die Sonne geht unter. Onkel Macon
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