Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
besprüht. Es waren keine Graffiti wie sonst; dieWorte sahen nicht aus, als wären sie Englisch, ja, man hätte sie vielleicht nicht einmal fürWorte gehalten, es sei denn, man kannte das Buch der Monde.
EineWoche später waren plötzlich alle Fenster in unserem Klassenzimmer kaputt. Es hätte der Wind sein können, allerdings hatte nicht die leiseste Brise geweht. Und weshalb sollte der Wind nur in einem einzigen Klassenzimmer toben?
Da ich nicht mehr Basketball spielte, musste ich für den R est des Jahres den Sportunterricht besuchen, mit Abstand das schlimmste Fach von allen. Nachdem ich eine Stunde lang gesprintet war und mir die Hände von den Kletterübungen an einem knotigen Seil brannten, ging ich zu meinem Schrank zurück und fand die Tür offen stehen. Meine Hefte lagen in der Aula verstreut und mein R ucksack war verschwunden. Link fand ihn ein paar Stunden später in einer Mülltonne vor derTurnhalle, aber eines war mir jetzt klar. Die Jackson High war kein Ort, an den man das Buch der Monde mitnehmen konnte.
Von diesemTag an bewahrten wir das Buch in meinem Kleiderschrank auf. Ich wartete darauf, dass Amma es fand, dass sie etwas sagte, dass sie Salz in meinem Zimmer verstreute, aber nichts geschah. Ich hatte das alte Buch mit dem Ledereinband in den letzten sechsWochen wieder und wieder gewälzt, mit und ohne Lena, und dabei das zerfledderte Lateinwörterbuch meiner Mutter zurate gezogen. Mithilfe von AmmasTopflappen schaffte ich es, mir die Finger nicht allzu schlimm zu verbrennen. In dem Buch standen Hunderte magischer Sprüche und nur wenige davon waren in unserer Sprache. Der R est war in Sprachen verfasst, die ich nicht verstand, und die Caster-Sprache konnten wir ohnehin nicht entschlüsseln. Je vertrauter uns das Buch wurde, desto unruhiger wurde Lena.
»Berufe dich selbst. Das bedeutet gar nichts.«
»Natürlich bedeutet es etwas.«
»In keinem Kapitel wird es erwähnt, in keiner einzigen Beschreibung der Berufung.«
»Wir müssen weitersuchen. Leider gibt es für dieses Buch keine handlichen Lektürehilfen für den Unterricht.« Im Buch der Monde stand die Antwort auf unsere Fragen, wir mussten sie nur finden.
Wir konnten an nichts anderes mehr denken, außer daran, dass wir in einem Monat womöglich alles verloren. Nachts lagen wir lange wach, jeder in seinem Bett, und unterhielten uns, denn jede Nacht brachte uns der Nacht näher, die unsere letzte sein könnte.
Woran denkst du, L?
Willst du das wirklich wissen?
Ich will es immer wissen.
Wollte ich es wirklich immer wissen? Ich starrte auf die zerknitterte Landkarte an meinerWand, betrachtete die dünnen grünen Linien, die jene Orte miteinander verband, über die ich gelesen hatte. Da lagen sie also, die Städte meiner Zukunft, von denen ich immer geträumt hatte, zusammengehalten mit Klebeband, Filzstift und Stecknadeln. Viel hatte sich geändert in den letzten sechs Monaten. Jetzt gab es keine grüne Linie mehr, die mich in die Zukunft führen konnte. Jetzt gab es nur noch ein Mädchen für mich.
Ihre Stimme war schwach und leise, und ich musste mich anstrengen, um sie zu verstehen.
Ein Teil von mir wünscht sich, wir wären uns niemals begegnet.
Das meinst du nicht ernst, oder?
Sie antwortete nicht. Jedenfalls nicht gleich.
Es macht alles so viel schwerer. Früher dachte ich schon, ich hätte viel zu verlieren. Aber jetzt habe ich dich.
Ich weiß, was du meinst.
Ich stieß die Lampe neben meinem Bett um und starrte auf die nackte Glühbirne.Wenn ich nur lange genug hinsah, dann brannten meine Augen von der Helligkeit, und ich musste nicht weinen.
Ich habe Angst, dich zu verlieren .
Das wird nicht geschehen, L.
Sie schwieg. Eine Zeit lang war ich geblendet, ich sah nur noch tanzende Flecken und Kreise. Ich sah nicht einmal mehr die blaue Farbe, mit der die Decke meines Schlafzimmers gestrichen war, obwohl ich sie direkt anstarrte.
Versprochen?
Versprochen.
Es war einVersprechen, von dem sie annahm, dass ich es nicht würde halten können. Aber ich gab es ihr trotzdem, denn ich würde einenWeg finden, es zu halten.
Ich verbrannte mir die Hand, als ich die Lampe ausmachen wollte.
Das Sandmännchen oder so jemand
4.2.
In einerWoche war Lenas Geburtstag.
SiebenTage.
Einhundertundachtundsechzig Stunden.
Zehntausendundacht Sekunden.
Berufe dich selbst.
Lena und ich waren erschöpft, aber wir schwänzten trotzdem die Schule, um denTag mit dem Buch der Monde zu verbringen. Ich konnte Ammas Handschrift inzwischen
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