Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
warfen die Karthager sich zu Schutzherren der auf Sizilien ansässigen Phönizier auf. Westsizilien wurde so zur Interessensphäre eines sich immer expansiver gebärdenden Karthago, das Selinus unterwarf und wenig später sogar Akragas, während Syrakus, das sich 415–413 v. Chr. gegen Athen behauptet hatte, den Osten dominierte. Das 4. Jh. und noch die erste Hälfte des 3. Jh. standen so im Zeichen des stetig eskalierenden syrakusanisch-punischen Antagonismus, mit wechselnden Koalitionen und wechselndem Kriegsglück. Das griechische Sizilien oszillierte in diesen gut 200 Jahren zwischen quasi-imperialer Machtzusammenballung unter den drei großen Herren von Syrakus – Gelon, Dionysios und Agathokles – und chaotischer Fragmentierung. Erst das Eingreifen Roms im Ersten Punischen Krieg änderte von Grund auf die Mächtekonstellation auf Trinakria.
Neue Machtfaktoren: Syrakus und Karthago
Nachfolger des Hippokrates in Gela wurde Gelon (491 v. Chr.), der sich als Anführer der bewährten Reiterei der Polis einen Namen gemacht hatte und zunächst als Vormund von Hippokrates’ Söhnen agierte. Sogleich begann Gelon damit, seine Machtbasis zu konsolidieren und zu erweitern: Er heiratete Damareta, die Tochter Therons von Akragas, und gab diesem die Tochter seines Bruders Polyzalos zur Frau. Das somit auch dynastisch untermauerte Bündnis sollte als stabile Achse die sizilische Politik der folgenden Jahrzehnte beherrschen.
|56| Gelon errang einen wichtigen Prestigeerfolg, als sein Gespann bei der Olympiade des Jahres 488/87 einen Ölzweig gewann. Wenige Jahre später bot ihm der erneut in Syrakus aufflammende Konflikt zwischen den inzwischen exilierten Gamoren und der Bevölkerungsmehrheit die Chance, die seinem Vorgänger Hippokrates versagt geblieben war: An der Spitze der Gamoren zog er 485 in Syrakus ein und bemächtigte sich der Stadt, deren wirtschaftliches und militärisches Potential das aller anderen ostsizilischen Poleis weit in den Schatten stellte. Das erkannte auch Gelon, der prompt seinen Herrschaftssitz nach Syrakus verlegte und Gela seinem Bruder Hieron unterstellte.
Sein neues Machtzentrum baute Gelon zielstrebig aus: Er verpflanzte die Bevölkerung von Kamarina, einer Stadt in der Nähe des heutigen Ragusa, nach Syrakus und transferierte auch die Hälfte der Einwohner von Gela dorthin. Auch die Oligarchen von Megara Hyblaia, das er erobert hatte, siedelte der Tyrann in Syrakus an. „Und schnell blühte nun die Stadt unter ihm auf“, schreibt Herodot (VII. 156, 1) über das von Gelon regierte Syrakus. Gelon stand im Zenit seines Ruhms: Er war der mächtigste Mann der gesamten griechischen Welt.
Als der persische Großkönig Xerxes zum Angriff auf Hellas rüstete, soll sich eine aus Athenern, Spartanern und ihren Verbündeten rekrutierte Gesandtschaft deshalb mit einem Gesuch um Hilfe auch an Gelon gewandt haben – so berichtet wiederum Herodot (VII. 157–162): Der machtbewusste Tyrann bot demnach an, das gesamte griechische Heer mit Getreide zu versorgen, und stellte obendrein ein starkes syrakusanisches Kontingent in Aussicht. Seine Bedingung, ihm im Gegenzug den Oberbefehl zu übertragen, war für die Hellenen indes nicht annehmbar; man lehnte ab, und Gelon wies den Gesandten die Tür. Die Historizität der Episode lässt sich nicht belegen. Vermutlich richteten sich Gelons Ambitionen ohnehin nicht auf einen so fernen Kriegsschauplatz, sondern auf Sizilien. Dass Syrakus aber nunmehr ein Machtfaktor war, mit dem zu rechnen war, das stellten die folgenden Jahre hinlänglich unter Beweis.
Unverdrossen setzten denn auch Gelon und Theron ihre Expansion fort: Sie vertrieben den Tyrannen Terillos aus Himera und setzten sich somit an der Nordküste fest. Selinus ganz im Westen und Zankle, das nunmehrige Messene, ganz im Osten waren damit die einzigen griechischen Städte Siziliens, die sich noch ihrer Freiheit erfreuten. Der Siegeszug der Bündnispartner rief einen Akteur auf den Plan, der bereits im 6. Jh. Ansprüche auf Sizilien geltend gemacht hatte, dessen Interessen aber jetzt unmittelbar berührt waren: Karthago.
Die Griechen waren nicht die ersten eisenzeitlichen Neuankömmlinge, die, angelockt durch Siziliens günstige Lage mitten im Mittelmeer, auf der Insel Wurzeln schlugen. Bereits vor ihnen waren die Phönizier gekommen und hatten sich |57| „rings um das gesamte Sizilien“ (Thuk. VI. 2) niedergelassen. Erst mit der Ankunft der Griechen, so Thukydides weiter, zogen sich die Phönizier
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