Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
nicht nur die Verantwortlichen in den jetzt demokratischen, sich wieder ihrer Unabhängigkeit erfreuenden Poleis der wohlfeilen
eleutheria -Rhetorik
. Im bergigen Hinterland von Syrakus machte um 460 v. Chr. ein Mann von sich reden, der Truppen sammelte, Land verteilte, Orte befestigte und zugleich, im Namen der Sikeler, immer wieder das Wort „Freiheit“ im Munde führte. Er eroberte die Siedlung Morgantina in Zentralsizilien und gründete die Städte Menai und Palike. Bald hatte er das gesamte Siedlungsgebiet der Sikeler unter seiner Führung vereint, die sich in Scharen hinter seiner Fahne sammelten. Mit einer stattlichen Streitmacht eroberte Duketios schließlich Motyon, einen befestigten Vorposten von Akragas im Hinterland (451 v. Chr.).
Damit hatte der Sikeler-Führer freilich den Höhepunkt seiner Macht bereits erreicht. Die Syrakusaner, die nun ein großes Heer in Marsch setzten, schlugen Duketios’ Aufgebot, und seine Herrschaft über Zentralsizilien brach zusammen. Duketios, der zeitweise in einem Tempel in Syrakus Asyl gefunden hatte, ging nach Korinth ins Exil, kehrte aber, geduldet von den Syrakusanern, alsbald in die Heimat zurück, an der Spitze korinthischer Kolonisten, die er gemeinsam mit Sikelern in Kale Akte bei Messene ansiedelte. Dort starb er um 440 v. Chr. Möglich gemacht hatte seinen kometenhaften Aufstieg das Machtvakuum, das der Sturz der Tyrannis im weiteren Umland der griechischen Poleis hatte entstehen lassen. Duketios gründete seine Herrschaft auf das Freiheitspathos, das auch bei seinen sikelischen Landsleuten zündete. In seinen Methoden aber war er der gelehrige Schüler der Tyrannen: Wie diese baute er sich systematisch eine militärische Basis aus Festungen und Gefolgsleuten auf, bevor er zur Expansion schritt. Sosehr er in seiner Rhetorik auf antigriechische Ressentiments setzte, so sehr war Duketios doch gerade auch das Produkt einer bereits in der Tiefe hellenisierten Gesellschaft.
|61| Die Athener vor Syrakus
Über die Jahrzehnte nach der Duketios-Revolte wissen wir relativ wenig. Zwar gab es keinen großen Krieg, doch blieben die Beziehungen zwischen den Poleis spannungsreich. Akragas machte Syrakus für die Rückkehr des Duketios verantwortlich und rächte sich mit Krieg. Syrakus siegte, aber sein Sicherheitsbedürfnis stieg. Man hob neue Truppen aus, verstärkte die Flotte und verschanzte sich hinter immer höheren Mauern. Selinus lieferte sich einen zähen Kleinkrieg mit dem benachbarten Segesta, einer elymischen Siedlung, die sich unter griechischem Einfluss zur Beinahe-Polis gemausert hatte. Weithin sichtbares Symbol ihres Hellenischseins sollte der große dorische Tempel sein, der just in diesen Jahren, um 430 v. Chr., auf einer Anhöhe über der Stadt – vielleicht mit athenischer Hilfe – gebaut wurde. Doch blieb dieses imposante Bauwerk – wie auch die Hellenisierung der Elymer – unvollendet.
Während die sizilischen Poleis untereinander ihre Händel austrugen, hielt Karthago still. Doch erregte die Insel das Interesse einer anderen auswärtigen Macht: Athens, das seit dem Sieg von Salamis alle anderen griechischen Städte an Macht und Reichtum bei weitem überragte und ab 431 gegen Sparta den Peloponnesischen Krieg um die Hegemonie im Mutterland führte. Eine der Städte, mit denen die Athener ein Bündnisabkommen schlossen, war Segesta. Auch Leontinoi, das kleine Halikyai und – bereits auf der anderen Seite der Straße von Messina – Rhegion kamen in den Genuss von Freundschaftsverträgen mit Athen.
Worum ging es den Athenern? Die sizilischen Bündnisse hatten wohl vor allem präventiven Charakter. In Athen argwöhnte man, dass die dorischen Syrakusaner den ihnen landsmannschaftlich verwandten Spartanern und Korinthern wirtschaftlich unter die Arme greifen könnten, besonders durch Lieferung von Getreide in großem Stil. So jedenfalls lautet die durchaus plausible Erklärung, die Thukydides (Thuk. III. 86, 4) liefert. Um einer Intervention durch Syrakus vorzubeugen, gedachte man die Stadt einzukreisen. Bald wurde aus dem kalten ein heißer Krieg: Syrakus griff 427 Leontinoi an. In dem Konflikt standen Himera, Gela und vielleicht Selinus zu Syrakus; Kamarina, Katane und Naxos zu Leontinoi, Athen entsandte ein kleines Expeditionskorps. In den Poleis tobte die Stasis, denn beide Parteien konnten praktisch überall Anhänger mobilisieren. Nur Akragas hielt sich abseits, während auf der ganzen Insel die Flammen des Krieges loderten.
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