Skagboys 01
Renton.
— Aye … muss nur wieder Luft kriegen. Schon gut, Mann …
Renton schaut zu Sick Boy. Als dieser ihm zunickt, tragen sie die Holzbohle den steilen Bahndamm hinunter und lassen sie von dort auf den dicken Maschendraht fallen. Das Ende des Bretts kracht auf den Zaun herunter und sorgt für ein weithin vernehmbares, metallisches Rasseln. Es dauert einen Moment, bevor das Brett zur Ruhe kommt und stabil auf dem Stacheldraht liegt. Aus Angst, entdeckt zu werden, klettern sie den Bahndamm zu den Gleisen hinauf, wo sie sich auf den Boden werfen und nervös das Innere des Werks beobachten.
Aber nichts rührt sich.
Nach ein paar Minuten erhebt sich Renton und rutscht die Böschung hinunter zur Holzbohle. Er stellt sich auf das Brett und testet seine Stabilität. Langsam schreitet er die fünfundvierzig Grad steile Bohle hinauf in Richtung des Stacheldrahts, der im Licht der Sterne glänzt. Die Spitzen und Widerhaken bohren sich in das Holz und fixieren so die Bohle. Mit aufgeplusterten Backen und konzentriertem Blick geht Renton weiter vor bis zur Spitze des Zauns und läuft dann die Bohle wieder hinunter zum Bahndamm. — Alles in Ordnung, Jungs, sagt er zu den anderen, die mittlerweile aufgestanden sind und ihn anstarren, als wäre er ein Trapezkünstler. — Der Trick besteht darin, nicht nach unten zu schauen. Gebt mir die andere Bohle!
Er greift ein Ende, Matty das andere. Durch das zusätzliche Gewicht der zweiten Person und des Holzbretts biegt sich die erste Bohle leicht nach unten durch. Renton läuft schnell zum Zaun hinauf. Oben angekommen, balanciert er vorsichtig im Boxerstand, mit einem Fuß vor dem anderen, während Matty ihm folgt, um die zweite Bohle vorzuschieben.
— Leg sie einfach hin …, flüstert Renton und schaut einen kurzen Moment lang in die Zombievisagen seiner Freunde. Er versucht, sich gegen die Gedanken zu wehren, die ihn dabei befallen: Wir sind keine Menschen mehr. Wie Echsen haben wir unsere Häute abgestreift und damit nicht nur unsere Vergangenheit, sondern auch unsere Zukunft verloren. Schatten. Im Grunde sind wir nichts weiter als Schatten … Seine Hände zittern, als er an der zweiten Bohle entlang hinunter zu Matty schaut, während sie sich vorsichtig balancierend auf der ersten vorwärtstasten.
Fast fällt ihnen das Holzbrett herunter, aber Matty kann es gerade noch halten. Renton stützt das andere Ende und schiebt es – mit einem Balancegefühl und einer Kraft, die er sich selbst nicht zugetraut hätte – nach und nach weiter vor. Als es weit genug über den Zaun ragt, lässt er es fallen. Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals, da er Angst hat, der Holzbalken könnte sein Ziel verfehlen, in das dunkle Niemandsland hinter dem Zaun stürzen und so die Mission beenden. Stattdessen aber schlägt er mit einem dumpfen Geräusch auf der Dachpappe des Gebäudes auf und bleibt dort liegen. Ein Gefühl der Euphorie steigt in Renton auf. Er verharrt einen Augenblick in seiner Position über dem Zaun und wartet ab, ob Alarme losheulen, Wachleute aus dem Werk stürmen oder Hunde bellen.
Aber nichts von all dem passiert, und so sammeln sich die Jungs an der Böschung des Bahndamms vor der ersten Holzbohle. Renton läuft währenddessen das andere Brett hinab – von der Spitze des Zauns auf das Dach des Gebäudes. Der Weg hinunter ist weniger steil, da die Bohlen von der Seite betrachtet wie die Zeiger einer Uhr stehen, auf der es zwanzig Minuten vor fünf ist. — Kommt schon, flüstert er den anderen zu.
Matty, der sich trotz seines Elends so geschmeidig wie eine Katze bewegt, ist in Sekundenschnelle bei ihm und bringt die Sealink-Taschen mit. In diesem Moment, als der Plan zumindest eine kleine Chance auf Erfolg zu haben scheint, fällt Renton auf, wie dumm es war, solche leicht wiedererkennbaren Taschen zu benutzen. Warum hatte er nicht auf Adidas oder Head gesetzt? Er hofft, dass ihnen dieses Detail später keine Probleme bereiten wird. Unter den dünnen Sohlen seiner ausgelatschten Sportschuhe fühlt er, wie die grobe Dachpappe bröckelt.
Nun ist Spud an der Reihe, den Zaun zu überqueren. Er bewegt sich langsam und setzt bedächtig einen Fuß vor den anderen, um dann Geschwindigkeit aufzunehmen. Auf dem Höhepunkt sieht er einen Moment lang ziemlich wackelig aus, bevor er auf der anderen Seite rasch hinunterläuft und in Rentons Armen landet.
Sick Boy ist als Nächster dran und schaut ziemlich bockig und angewidert drein. Man könnte meinen, dass jemand von ihm
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