Skagboys 01
Ablösung, die Taschen greift. — Wir bekommen einen Haufen Dope, Mann. Davon behalten wir etwas zum Verticken, und mit dem Rest machen wir ne Reduktionskur.
— Genau das ist der Plan!, ruft Renton aus. — Wir ziehen uns jeden Tag nur so viel rein, wie wir brauchen. Reduktionskur nennt sich das! Kann man alles wissenschaftlich durchrechnen.
— Wissenschaftlich durchrechnen …, wiederholt Spud geistesabwesend.
Matty, gefangen in seiner eigenen Hölle, marschiert schweigend voran. Der raue Balken reißt die Haut an seinem Hals auf. Das Holz von seiner Schulter zu schieben würde allerdings seine ohnehin schon malträtierte Hand noch stärker verletzen. Der dunkelblaue Himmel vor ihm wird nun von den unheimlichen Lichtern der Fabrik erhellt. Er muss an Shirley und Lisa denken, die in ihrer Mini-Wohnung in Wester Hailes sitzen. Dieser Schuhkarton kam ihm stets wie ein Gefängnis vor, aber jetzt wünscht er sich nichts sehnlicher, als bei ihnen sein zu können. Plötzlich krümmt er sich und lässt die Bohle fallen, was auch Keezbo dazu zwingt, sein Ende loszulassen.
Renton und Sick Boy machen es den beiden nach. — Was ist los?
— Alter, ich kann nich mehr … ich schaff das einfach nich mehr. Matty kauert sich auf den Boden und reibt sich den Bauch. — Diese Scheißkrämpfe bringen mich um!
— Wir müssen weiter, Matty. Es gibt keinen anderen Ausweg, meint Spud und hebt Mattys Ende der Bohle auf. Ihm dämmert, wie mies es Matty gehen muss, der sich das Skag schon viel länger und in höheren Dosen als alle anderen in die Venen jagt.
Sick Boy hebt das Brett auf seine Schulter und starrt dabei wütend zu Matty. — Wehe, du lässt uns jetzt hängen, Kollege!
Matty hievt sich auf die Füße und folgt den anderen mit ein paar Schritten Abstand. Er hält sich den schmerzenden Bauch. Dann merkt er, dass er die Taschen vergessen hat, und wankt zurück, um sie zu holen. Er kratzt sich, wieder und wieder. Überall an seinem Körper verlaufen mittlerweile lange, breite Schorfstriemen, die er mit seinen verdreckten Fingernägeln jeden Tag aufs Neue aufreißt. Seine Augen sind rot und müde.
Wie Pinguine mit Stuhlgangproblemen watscheln sie zu der Stelle, an der der Bahndamm nah am Zaun verläuft. Von dort können sie das Nebengebäude sehen, das auf Sick Boy jetzt größer wirkt als bei ihrem Erkundungsgang. Rentons Augen schmerzen, und so braucht er ein paar Momente, um alles zu erfassen. Die Flutlichter, die das einsame Werk erhellen, helfen ein wenig. Es ist keine Menschenseele zu sehen. Die Fabrik wirkt auf Renton wie ein Konzentrationslager, und sie, die klappernde Junkiebande, wie eine Gruppe von Bergen-Belsen-Überlebenden, die absurderweise versucht, in dieses Lager einzubrechen .
Nun können sie auch das große, silberfarbene Kastengebäude im Zentrum der Fabrik ausmachen, aus dem nicht nur unzählige Rohrleitungen wie Spaghetti hervortreten, sondern auch ein großer, glänzender Schornstein und eine Reihe anderer Abzüge gen Himmel ragen. Als ein schwaches Zischen ertönt, steigt eine Rauchfahne vor dem dunklen Hintergrund der Nacht empor. Außer einigen dunkel-dreckigen Wolken scheint der glühende Himmel transparent und gibt den Blick auf strahlende Galaxien frei, die über den heruntergekommenen Mietshäusern der Gegend wie wahre Wunderwerke aussehen.
— Auweia, Mann … denkt ihr, dass es da ne Nachtschicht gibt?, fragt Spud ängstlich.
— Nee, antwortet Matty außer Atem. — Da sind nur Maschinen, die wie Roboter die Chemikalien verarbeiten. Wäre viel zu teuer, die Dinger abends auszuschalten und jeden Tag wieder neu zu starten. Die laufen die Nacht hindurch weiter.
Sick Boy versucht sich an einer Begbie-Imitation: — Wenn uns einer dieser Robotficker übern Weg läuft und verschissen rumzuckt, dann stech ich die Sau ab, egal ob Android oder nich Android!
Obwohl alle völlig am Ende sind, lachen sie durch ihr Elend hindurch. Mit einem Mal sind sie wieder vereint – zumindest so lange, bis Spud in ein krampfartiges, trockenes Husten verfällt, das nicht enden will und sich in einen Anfall steigert. Die anderen sind besorgt, schließlich war er noch vor Kurzem schwerkrank auf der Intensivstation. Nach einer Weile fängt er sich aber und hört auf zu husten. Seine Augen füllen sich mit Tränen, als er mit ein paar flachen Atemzügen ein wenig Luft in seine Lungen pumpt. — Schon gut, Mann …, sagt er wieder und wieder und schüttelt dabei den Kopf.
— Alles in Ordnung, Kumpel?, fragt
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