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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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entgehen lassen! Auch Granny Renton ist schon auf den Beinen. Sie will sich verabschieden. Klein, schmächtig, mit weißen Haaren und abgestepptem Morgenmantel steht sie da, eine Reisetasche in der Hand, und mustert mich mit durchdringendem Blick. Nachdem sie mich nen Moment lang über ihre Brillengläser hinweg angestarrt hat, fängt sie an, meinen Dad im Flur vollzulabern. »Wann fährtn der Bus? Von wo fährtn der los? Wann kommtn ihr an?«, säuselt sie mit besorgter Singsang-Stimme.
    »Geh wieder … zurück ins … Bett … Ma«, knurrt mein Dad, den Mund voller Zahnpasta und Spucke. Ich schlüpf währenddessen schnell in meine Klamotten: Hemd, Jeans, Socken, Sneaker und Jacke. Danach geh ich zum Kaminsims rüber und schau mir die gerahmten Bilder an, die dort zusammen mit den vier Ehrenmedaillen von Opa Renton stehen. Das Victoria-Kreuz ist auch dabei. Ich glaub, das war für die Normandie. Er hätte es wahrscheinlich nicht gemocht, dass die Teile so zur Schau gestellt werden. Bewahrte sie immer in einer Tabakdose auf. Wir mussten ihn regelrecht anbetteln, damit er uns die Dinger mal zeigte. Dazu muss man sagen, dass mein Opa von Anfang an ehrlich zu mir und meinem Bruder Billy war, wenn es um die Teile ging: Hat uns geradeheraus gesagt, dass das mit den Orden alles großer Bullshit wär. Viele mutige Typen wären trotz ihrer Heldentaten leer ausgegangen, während jede Menge Wichser für nichts und wieder nichts ausgezeichnet wurden. Ich erinnere mich noch daran, wie ich ihn mal im Urlaub, in einem Gästehaus unten in Blackpool, deswegen gelöchert hab: »Aber du warst doch n mutiger Soldat, oder, Opa? Ich meine, wie du da bei der Invasion den Strand hoch bist und so … da braucht man doch schon Mumm.«
    »Ich hatte Angst, mein Junge«, antwortete er mit düsterer Miene. »Vor allem aber war ich wütend. Wütend, dass ich überhaupt da war. Verdammt wütend. Ich wollte diese Wut rauslassen und dann möglichst schnell wieder nach Hause.«
    »Aber dieser Kerl musste doch gestoppt werden, Dad!«, schaltete sich mein alter Herr ein. »Das haste selbst gesagt!«
    »Weiß ich doch, weiß ich doch. Ich war ja schon stinksauer, dass man diesem Mistkerl anfangs so viel hat durchgehen lassen.«
    Die beiden Bilder von meinem Großvater auf dem Kaminsims unterscheiden sich etwas. Auf dem einen wirkt er wie ein Lausbub in Uniform, der gerade mit seinen Kumpels zu nem Abenteuer aufbrechen will. Das zweite Foto wurde einige Zeit später gemacht. Da lächelt er auch, aber das spitzbübische Grinsen vom ersten Bild is verschwunden. Sein Lächeln sieht nich erzwungen aus oder so, aber irgendwie schwer erarbeitet.
    Granny kommt zurück und verharrt nen Moment, als sie mitkriegt, dass ich mir gerade die Bilder von Opa anschaue. Kann sein, dass sie irgendwas in mir sieht – eine Ähnlichkeit im Profil oder so –, das Erinnerungen an die Vergangenheit weckt. Sie schleicht sich an mich ran, legt ihren Arm um meine Hüfte und flüstert: »Macht den Mistkerln die Hölle heiß, Junge!« Sie riecht gut, aber irgendwie auch alt – als würde sie sich mit Seife waschen, die sie mal vor dreißig Jahren gekauft hat. Als Dad reinkommt und wir uns fertig machen, fügt sie noch hinzu: »Aber pass auf dich auf, Junge. Und pass auch auf meinen Buben auf.« Damit meint sie meinen Vater. Schon komisch, dass sie ihn immer noch so nennt. Der Mann is schließlich steinalt. Bald fünfzig!
    »Komm schon, Junge, Taxi wartet«, sagt er und wirft einen Blick durchs Fenster. Das Getue meiner Grandma scheint ihm peinlich zu sein. Dann dreht er sich doch noch um und küsst sie auf die Stirn. Sie wendet sich zu mir, nimmt meine Hand und flüstert mit ernster Stimme: »Du bist der Beste, Junge, der Beste von alln.« Das sagt sie jedes Mal. Eigentlich schon, seitdem ich ein kleines Kind bin. Hat mir immer ein tolles Gefühl gegeben. Bis ich rausfand, dass sie das zu all ihren Enkeln und sogar zu den Nachbarskindern sagt! Ich bin mir zwar sicher, dass sie es jedes Mal ehrlich meint, aber trotzdem …
    Der Beste von alln.
    Sie lässt mich los und reicht meinem Dad die Reisetasche. »Und verlier mir ja nich die Thermoskanne, David Renton«, zetert sie.
    »Ja, Mutti, hab doch gesagt, dass ich n Auge drauf hab«, antwortet er kleinlaut, als wäre er wieder ein Teenager. Als er gerade gehen will, hält sie ihn zurück. »Ich glaub, du hast da was vergessn«, sagt sie. Dann huscht sie zur Anrichte rüber, holt drei kleine Gläser raus und schenkt Whisky ein. Mein

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