Skagboys 01
weiter auf den Schienen entlang, wo die Dunkelheit nur gelegentlich von dem schwachen Licht erhellt wird, das aus einzelnen Zimmern der Mietswohnungen scheint. — Wir müssen aufpassen wegen der Güterzüge. Manchmal transportieren sie nachts Nuklearabfälle auf dieser Strecke, flüstert Renton.
Die gute Stimmung hält nicht sonderlich lange vor, und die Holzbohlen auf ihren Schultern werden mit jedem Schritt schwerer. Nach einer Weile müssen sie anhalten und eine Pause einlegen. Sie setzen sich auf die Enden der Bahnschwellen, die seitlich unter den Schienen herausragen. Sick Boy, der bis jetzt die Taschen getragen hat und sie den anderen als schwerer verkauft, als sie tatsächlich sind, wird aufgefordert, auch mal eins der Holzbretter zu schultern. — Ich hab einen beschissenen Splitter in meiner Hand, protestiert er und saugt an einem Finger.
— Wie zum Henker willst du dir einen Splitter eingerissen haben? Du hast doch noch gar kein Holz getragen, meint Renton gereizt.
— Doch, vorhin, jammert Sick Boy, während Renton ihn wenig überzeugt und vorwurfsvoll anstarrt. — Okay, okay. Dann trag ich jetzt eben auch eins dieser verschissenen Bretter!
Matty streckt sich aus und findet ein wenig Ampferblatt, das er sich auf die Hand reibt. Seine von der Holzbohle geschundene Schulter tut jetzt noch mehr weh als zuvor. Noch eine Schicht mit diesem Brett auf dem Rücken, und er ist total im Eimer. Spud schaut Renton mit nervösem Blick an. — Ich fühle mich scheiße, Mark. Richtig, richtig, richtig scheiße, verstehste?! Seine gequälten Augen weiten sich. — Denkst du, dass wir sterben werden?
— Nee … komm runter, Kumpel. Alles wird gut. Der Entzug tut weh, aber er bringt dich nicht um. Es ist nicht so wie ne Überdosis oder so.
Spud, die Augen mittlerweile so groß wie Tennisbälle, wischt eine Schnodderlawine unter seiner Nase mit dem Ärmel seines zerschlissenen gelben Sweaters weg und wendet sich zu Sick Boy. — Simon, was würdest du tun, also theoretisch jetzt, wenn du nur noch ein paar Wochen zu leben hättest? Ich sag mal so, schließlich könnten wir ja alle schon dieses Aids haben. Kriegen ne Menge Leute in letzter Zeit, diese Seuche.
— So ein Quatsch.
— Aber nur mal so … was würdest du tun, wenn du nur noch ein paar Wochen hättest? Also theoretisch, mein ich …
— Ich würd mir ne Jahreskarte fürs Tynecastle kaufen, erwidert Sick Boy, ohne lange zu überlegen.
— Du machst Witze!
— Ganz und gar nicht. Dann würde ich nämlich mit der Gewissheit sterben, dass es einen weniger von diesen Wichsern gibt.
Spud ringt sich ein Lächeln ab. Keezbo schaut kurz zu Sick Boy, als wolle er etwas darauf erwidern, blickt dann aber auf die Gleise hinunter: Rostbraun an den Seiten und silberfarben an der Ober fläche liegen sie vor seinen Füßen. Durch den Schmerz des Entzugs scheint er der Realität entrückt, desorientiert und verwirrt durch die quälende Schlaflosigkeit. — Von Rechts wegen ist es unser Skag. Schließlich wird es in unserer Stadt hergestellt …
— Mein Reden, Keezbo! Sick Boy atmet lautstark aus und setzt einen Ausdruck der Empörung auf. — Die bescheuerten Aktionäre von Glaxo verdienen sich ne goldene Nase, und wir leiden hier wie die Hunde! Den Stoff denen, die am Klappern sind, sag ich!
— Stimmt schon, eigentlich gehört das Skag den Einwohnern von Gorgie, weil es im Jambo-Viertel hergestellt wird, argumentiert Spud. — Is wie mitm schottischen Öl! Auch alles Beschiss! In einer sozialistischen Gesellschaft würd’s jedenfalls den Jambos gehören, sag ich mal.
— Erde an Spud, Erde an Spud: Wir leben aber nicht im Sozialismus!, weist Sick Boy ihn zurecht.
Renton schaut in Spuds niedergeschlagene Visage und versucht, ihn aufzumuntern. — Keezbo ist ein Jambo, und wir helfen ihm dabei, seinen Anteil zu bekommen. Versuch mal, es von dieser Seite zu sehen.
— Versteh ich echt nicht, wie jemand aus Leith die Hearts supporten kann, zischt Matty.
— Nun, ich tue es aber, und sein Bruder tut es auch! Keezbo steht auf und schaut zu Renton.
— Alter, die haben die Skagfabrik nich umsonst direkt neben das Tyney gebaut. Wussten ganz genau, dass da jede Menge jämmerlicher Loser abhängen, die was gegen den Schmerz des Lebens brauchen, höhnt Matty und schaut dabei provozierend zu Keezbo hinüber. Der Dicke hat immer noch die Hände in die Hüften gestemmt und ringt um Luft.
— Ich hab mir von Drew Abbot sagen lassen, dass Leith ursprünglich
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