Skagboys 01
Himbeersoße aussehe. Scheint aber keiner gehört zu haben. Wir gehen raus auf den Walk, und ich winke ein Taxi ran, das uns zum Friedhof bringt.
Als wir ankommen, schiebt sich die Schlange der Trauergäste bereits in die Aufbahrungshalle. Wir sind aber nicht zu spät, sondern gehen direkt den Sargträgern hinterher, sodass uns die Leute Platz machen. Es gibt immer ein paar morbide Spinner, die diesen Teil einer Beerdigung toll finden. Die meisten Anwesenden allerdings winden sich unbehaglich in ihren schlecht sitzenden Trauerklamotten und warten ungeduldig auf das nach der Zeremonie folgende Besäufnis. Meine Ma und mein Dad sehen ziemlich erleichtert aus, als wir reinkommen und uns auf die für uns freigehaltenen Plätze pflanzen. Hinter uns sitzen die Verwandten aus Glasgow und Midlothian und dahinter die eingeladenen Freunde und Nachbarn. Ein sabbernder Spasti wie Klein Davie lockt für gewöhnlich keine Busladungen an Trauergästen zu einer Beerdigung. Andererseits mag es auch keiner, wenn ein Mensch in so jungem Alter den Löffel abgibt, und so sind relativ viele Leute zur Beisetzung meines Bruders gekommen.
Auch meine Freunde sind da: Begbie, Matty, Spud, Sick Boy, Tommy, Keezbo, Second Prize, Sully, Gav, Dawsy, Stevie, Mony, Moysie, Saybo und Nelly. Außerdem noch ein paar Jungs von der Arbeit bei Gillsland: Davie Mitchell, Young Bobby und Les. Swanney ist nicht aufgetaucht. Ich sehe auch, dass Hazel da ist. Sie sitzt mit Alison, Lesley, Nicky Hanlon und Julie Mathieson zusammen. Mit Julie habe ich früher auch mal Tapes getauscht. Jetzt hat sie eine Göre von irgend so einem Spacko am Hals und sieht aus wie eine Bohnenstange mit zwei Augen dran. Auch Großeltern, Onkel, Tanten und andere Verwandte älteren Semesters, an die ich mich nicht wirklich erinnern kann, sind aufgetaucht. Alle haben sie diesen düsteren und stoischen Gesichtsausdruck geistiger Umnachtung drauf. Bei ein paar von ihnen deutet ein Glühen in den Augen ihrer aufgedunsenen oder abgehärmten Fressen auf ein vorheriges Leben als echte Personen hin. Schopenhauer hatte recht: Im Leben geht es um Desillusion. Unaufhaltsam stolpern wir auf ein total abgefucktes Ende zu.
Die Andacht ist widerliche Fließbandscheiße: Der trottelige Gottesdiener faselt halbherzig irgendwas von den unergründlichen Wegen des Herrn und schaut während der Zeremonie ein paarmal auf seine Uhr. Ich starre auf den geschlossenen Sarg. Selbst die vereinten Anstrengungen von Physiotherapeuten und meinen Eltern konnten nicht verhindern, dass Klein Davie zum Schluss so sehr verkrampfte, dass man ihm nach seinem Tod Arme und Wirbelsäule brechen musste, um ihn in die Kiste legen zu können. Kein Wunder also, dass sich der alte Herr gegen die von Ma gewünschte Aufbahrung im offenen Sarg ausgesprochen hat.
Dann passieren ein paar komische Sachen. Nachdem wir die knochigen, kalten Hände der Trauergäste geschüttelt haben, verlassen wir die Kapelle und latschen im Nieselregen zu den Autos. Kaum sind wir durch die Tür, nimmt mich mein Vater beiseite und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Das hat er das letzte Mal gemacht, als ich in der Grundschule war. Der Geruch seines Aftershaves und sein kratziges Kinn rufen Kindheitserinnerungen wach. Als wir im Auto sitzen und auf der Ferry Road Richtung Ken Buchanan Hotel zur Trauerfeier unterwegs sind, nimmt meine Ma meine Hand und sagt unter Tränen: — Jetzt bist du mein kleines Baby. Ich ordne ihre Worte als durch Schock und Trauer hervorgerufenes Palaver ein. Ein Teil von mir denkt aber auch: Diese Frau ist vollkommen durchgeknallt, während in meinem Innersten Abscheu und Zuneigung um die Vorherrschaft kämpfen.
Als ich mir im Hotel einen Whisky und eine verdammt scharfe Bratwurst im Schlafrock genehmige, kommt Hazel zu mir und Fiona rüber. Ich merke, dass irgendwas zwischen den beiden abläuft, bin aber durch die Umstände emotional derart erschöpft, dass ich kein Unbehagen empfinden kann.
— Hi, Haze. Ich gebe ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange. — Danke, dass du gekommen bist. Ähm, das ist Fiona. Dann füge ich mit einer dummen und relativ plumpen Förmlichkeit hinzu: — Fiona Conyers, Hazel McLeod. Die beiden geben sich die Hand.
— Ich bin eine alte Freundin von Mark, sagt Hazel. Was auch immer die beiden gerade austauschen, es ist ziemlich würdevoll, fast schon rührend. Ich merke, wie ich mich kurzzeitig öffne, und nehme schnell einen anständigen Schluck von dem brennenden Whisky, um diese
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