Skalpell Nr. 5
Wahnsinn«, sagte Jake. »In Elizabeths Fall war der Wahnsinn extrem – er führte zum Vatermord.« Voller Stolz auf seine Gelehrsamkeit schielte Jake zu Manny hinüber, um festzustellen, ob sie auch gebührend beeindruckt war.
»Hat er dasselbe nicht auch über die Lust gesagt?«, fragte sie, die Augen weiter geradeaus auf die Straße gerichtet.
Ein Punkt für sie. »Meine Lust ist weiß Gott Wahnsinn.«
Sie drückte kurz sein Knie. »Meine kommt mir ganz gesund vor.«
Sie waren ein letztes Mal unterwegs nach Turner, Manny am Steuer, Mycroft in Jakes Schoß. »Ein Rendezvous mit Sheriff Fisk«, hatte er erklärt, als er sie fragte, ob sie mitkommen wolle, »aber er weiß noch nichts von unserem Besuch.« Sie hatte begeistert Ja gesagt.
»Es ging aber nicht nur um Ehrgeiz«, fuhr Jake fort. »Sie ist so ziemlich die kälteste Frau, die mir je begegnet ist, und ich vermute, das liegt an ihrer Kindheit. Wahrscheinlich hat sie von ihrer Mutter Fürsorge bekommen, aber nicht von ihrem Vater.«
»Das leuchtet mir nicht ein. Er war einfühlsam und liebevoll, er war Dolores ein guter Ehemann, dir ein großartiger Freund, und er hat nie vergessen, dass er Wallys Vater war.«
Jake hatte in der vergangenen Nacht lange darüber nachgedacht. »Ich glaube, er hat seine ganze Liebe auf seinen Sohn gerichtet, als eine Art Kompensation für seinen Sündenfall, sogar noch bevor er herausfand, dass die Winnicks Wally adoptiert hatten. Ein zweites Kind, auch wenn es ein anderes Geschlecht hatte, war für ihn schwer zu akzeptieren. Möglicherweise hatte er Angst davor, Elizabeth zu sehr zu lieben, als sie klein war, weil er fürchtete, auch sie zu verlieren, wie er bereits Isabella und Wally verloren hatte. Deshalb ist er vielleicht auf Distanz geblieben, und sie hat ihn schließlich abgelehnt. Das hat es ihr bestimmt leichter gemacht, ihn zu töten. Schließlich hatte er ohnehin nicht mehr lange zu leben. Sie hat den Lauf der Dinge nur beschleunigt.«
Inzwischen hatten sie den Stadtrand von Turner erreicht. Das Herbstlaub zeigte noch immer kräftige Farben, doch heute war Manny so sehr in ihre Unterhaltung versunken, dass sie es gar nicht wahrnahm. »Du könntest recht haben; psychologisch wäre es jedenfalls einleuchtend.«
»Und da ist noch was. Nehmen wir mal an, Hans Galt hat recht und es werden auch heute noch zumindest bakteriologische Testreihen durchgeführt. Elizabeth hat einen Großteil ihrer beruflichen Laufbahn im Justizministerium verbracht. Sie könnte von solchen Experimenten gewusst und sie gedeckt haben, indem sie Beweismittel unter Verschluss gehalten hat. Petes Entdeckung der radioaktiven Knochen hätte schnell zu ihr führen können, schließlich war er ihr Vater.«
Manny schauderte. »Das ist einfach furchtbar, aber bestimmt nicht ausgeschlossen. Dr. Ewing hat mir gesagt, dass er auf Anweisung von ganz oben gehandelt hat. Vielleicht sie ja auch. Du weißt ja, den Mächtigen traue ich so ziemlich alles zu.«
»Aber vielleicht ging es ja doch nur um familiäre Dinge. Der arme Wally. Hat sich erst mal beurlauben lassen, nachdem er das alles erfahren hat. Ist für eine Weile zurück nach Santa Fe.«
Sie sah ihn an. Sein Gesichtsausdruck war der gleiche wie während der Obduktion von Mrs. Alessis’ Leiche, und ihr wurde klar, dass er Fakten ebenso sezieren konnte wie Körper. Kein verschrobener Wissenschaftler, nein, ein sexy Wissenschaftler!
»Warum hat sie dich gebeten, Petes Arbeitszimmer auszuräumen? Das hätte jeder andere auch tun können, und denk nur, wozu es geführt hat.«
Diese Frage hatte Jake sich auch schon gestellt. »Um mich abzulenken. Ich war der einzige Mensch, der die Krebsgeschichte vielleicht nicht geglaubt hätte, und sie wollte ihre vermeintliche Unschuld beweisen, indem sie mich um Hilfe bat. Sie wusste ja nicht, dass Pete die Knochen bei sich zu Hause hatte.« Er lächelte Manny an, bemerkte, wie entspannt sie wirkte – erstaunlich, nach allem, was sie durchgemacht hat –, und fühlte plötzlich einen starken Beschützerinstinkt.
»Aber sie wusste von den Knochen«, stellte Manny fest.
»Ja. Pete muss ihr davon erzählt haben, als sie ihn kurz vor seinem Tod besucht hat. Er wollte mir alles gestehen; bestimmt hat er ihr, seiner Tochter, reinen Wein eingeschenkt. Es war ein allerletzter Versuch, Nähe zu ihr herzustellen.«
»Und dann hat sie ihn vergiftet.«
»Sie wusste von den Experimenten, von Isabella, vielleicht sogar von Wally. Wenn irgendwas von dieser Geschichte
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