Skandal im Ballsaal
mit einem Schlag des Gatten und des Sohnes beraubt sah!" Sie bemerkte einen Ausdruck der Überraschung in Phoebes Gesicht und fügte hinzu: „Edmund wurde nicht meiner Vormundschaft überantwortet. Ich hätte nicht so viel erzählen sollen. Aber als wir einander trafen, wusste ich, Sie würden mich verstehen! Ich bin überzeugt, ich kann Ihnen vertrauen! Sie können sich nicht vorstellen, wie es erleichtert, offen sprechen zu können: im Allgemeinen muss ich zurückhaltend sein. Aber ich darf nicht weiter über meine Sorgen klagen!"
Das konnte sie auch nicht weiter tun, denn in diesem Augenblick wurde ihre Aufmerksamkeit auf Lady Elvaston gelenkt, die sich erhoben hatte, um von ihrer Gastgeberin Abschied zu nehmen. Sie stand ebenfalls auf, reichte Phoebe die Hand und sagte mit ihrer sanften Stimme: „Ich sehe, Mama schickt sich an zu gehen, und so muss ich Lebewohl sagen. Bleiben Sie lange in der Stadt? Es wäre so angenehm, einander wieder zu treffen! Vielleicht würden Sie mir die Freude machen, mich eines Tages zu besuchen? Ich möchte gern, dass Sie meinen kleinen Jungen sehen."
„Oh, ist er bei Ihnen?", rief Phoebe sehr überrascht aus.
„Ich hatte angenommen - ich meine, ich würde Sie sehr gern besuchen, Madam!"
„Dass ich ihn in die Stadt brachte, wurde durchaus nicht gebilligt, kann ich Ihnen versichern", erwiderte Janthe klagend. „Aber sogar sein Vormund kann mir kaum verbieten, ihn mitzunehmen, damit er bei meinen Eltern wohnt! Mama ist ganz vernarrt in ihn und wäre so gekränkt gewesen, wenn ich ihn nicht mitgebracht hätte!"
Sie drückte Phoebes Hand, entschwebte und ließ Phoebe als Opfer von Zweifel und Neugierde zurück.
Von Anfang an war Phoebe von ihrer Schönheit bezaubert; binnen einer Minute, nachdem sie ihre Bekanntschaft gemacht hatte, war sie durch ihre ansprechende Art und ihr charmantes Lächeln gefesselt worden. Aber Phoebe war eine scharfsinnige Beobachterin; sie besaß auch einen wachen Verstand. Während die romantische Seite ihrer Natur für den Anschein eines tragischen Geheimnisses, das Janthe umgab, empfänglich war, entgingen ihr doch gewisse Ungereimtheiten in Janthes Enthüllungen nicht und drängten ihr die Meinung auf, vertraulichen Mitteilungen, die nach so kurzer Bekanntschaft geäußert wurden, sei vielleicht nicht völlig zu trauen.
Sie war begierig, herauszubekommen, wer Janthe sei. Sie wusste nun, dass sie ein Mitglied der Rayne-Familie war, aber die Familie war groß, und sie hatte keine Ahnung, in welchem Verwandtschaftsgrad Janthe zu Sylvester stand.
Ihre Großmutter würde sie ohne Zweifel aufklären können.
Lady Ingham konnte sie sehr wohl belehren. „Janthe Rayne?", sagte sie, als sie vom Haus Mrs Stours wegfuhren.
„Eine hübsche Person, nicht wahr? Gänschenhaft natürlich, aber man muss sie bemitleiden. Sie ist Elvastons Tochter und heiratete den armen Harry Rayne in dem Jahr, als sie in die Gesellschaft eingeführt wurde. Er starb, bevor ihr Sohn den Kinderschuhen entwachsen war. Eine schreckliche Sache! Ich glaube, man hat nie herausgefunden, was ihm fehlte: man konnte sich keinen gesünderen jungen Mann vorstellen! Irgendetwas Inneres: das ist alles, was ich immer hörte. Ah, wenn sie nur den lieben Sir Henry Haiford gerufen hätten!"
„Ich wusste, dass sie mit einem Mitglied dieser Familie verheiratet war, Madam, aber - wer war ihr Gatte?"
„Wer er war?", wiederholte Lady Ingham. „Nun, natürlich Sylvesters jüngerer Bruder! Sein Zwillingsbruder, was noch schlimmer ist."
„Dann ist das Kind ... Lady Henrys kleiner Junge?", stammelte Phoebe.
„Oh, ich habe nie gehört, dass mit ihm etwas los sei!", antwortete Mylady und lehnte sich vor, um einen besseren Blick auf das Fenster eines Modewarenhändlers zu erlangen, während sie sprach. „Meine Liebe, ich frage mich, ob der Strohhut - nein, diese rosa Blumen würden dir nicht stehen! Was hast du gesagt? Oh, Harrys Sohn! Ein prächtiger kleiner Bursche, sagte man mir. Ich habe ihn selbst nie gesehen: Er lebt auf Chance."
„Und er ist - ich verstand Lady Henry so - das Mündel des Herzogs?"
„Ja, und auch sein Erbe - was wahrscheinlich nicht von Belang ist! Hat sich Janthe bei dir darüber beklagt?" Sie blickte Phoebe kurz an und sagte ungeschminkt: „Du wärest schlecht beraten, zu viel darüber nachzudenken, was sie dir gesagt haben mag, meine Liebe. Die Wahrheit ist die, dass sie und Sylvester einander nicht ausstehen können. Sie wurde wütend, als sie herausfand, wie die
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