Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
auf den angebotenen Stuhl zu. Bei einem raschen Blick nach oben sah Mary nicht nur Königin Victoria, sondern auch Prinz Bertie. Im Hintergrundstand ein Mann mit verkniffenen Lippen auf: der Sekretär. Er wurde nicht vorgestellt.
Die förmliche Haltung der Königin verriet nicht, dass sie Mary jemals zuvor gesehen hatte. »Wie geht es Ihnen, Miss Quinn?«
»Sehr gut, vielen Dank, Euer Majestät.« Sie zögerte. Sollte sie sich ebenfalls nach dem Befinden der Köni gin erkundigen? Auf die Ereignisse gestern Nachmittag Bezug nehmen? Dazu hatte das Marktweib nichts verlauten lassen.
»Wir haben Sie heute aus zwei Gründen herkommen lassen. Der erste wird Ihnen von seiner Königlichen Hoheit, dem Prinzen von Wales, erläutert.« Bei dem Blick, den die Königin ihrem Sohn zuwarf, wurde nicht ersichtlich, ob das auf seine Initiative zurückging. Doch er holte gehorsam Luft.
»Zunächst möchte ich mich entschuldigen, Miss Quinn, und zwar für die … Auseinandersetzung, die gestern stattgefunden hat. Ich habe mich absolut nicht wie ein Gentleman benommen und bitte Sie für mein Benehmen um Verzeihung.«
Mary warf Ihrer Majestät einen hastigen Blick zu, deren gefasste Miene jedoch nichts verriet. Der Prinz hatte wohl alles gebeichtet, was Mary vor Ärger und Demütigung rot werden ließ. Es war jedoch eine freimütige Entschuldigung, viel mehr, als sie je erwartet hatte. Was immer das bringen mochte. Aber es wurde eindeutig eine Erwiderung erwartet. »Aber natürlich, Sir«, murmelte sie.
Eine grässliche Pause. Nach einem stummen Zeichenseiner Mutter fuhr Prinz Bertie rasch fort. »Die Erinnerungen, die gestern wieder hochgekommen sind – auch wenn sie dem Gefangenen nicht mehr zugutekommen –, werde ich als Aussage dem Gerichtshof zukommen lassen.« Er schluckte. »Das wird natürlich von der Familie Beaulieu-Buckworths nicht goutiert werden. Auf … auf Anraten werde ich eine Reise unternehmen, vielleicht in die Kolonien, solange der Fall vor Gericht verhandelt wird.«
Mary nahm das mit einer Mischung aus Mitleid und Verärgerung hin, was für ihre Begegnungen mit dem Prinzen typisch war. Das Richtige tun, dann jedoch vor den Folgen davonlaufen. Immerhin hatte er sich letzten Endes überzeugen lassen, sich korrekt zu verhalten. »Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, Sir.«
Prinz Bertie wurde wieder rot und rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Äh – danke.« Er hatte den Blick auf seine Mutter gerichtet, erwartete ein Zeichen von ihr. Und als sie ihn ansah, erhob er sich rasch. »So, ich muss gehen. Sehr erfreut, Sie wiederzusehen, Miss Quinn. Ich wünsche Ihnen alles Gute.«
Als sich die Tür hinter ihm schloss, wandte sich die Königin an Mary. »Seien Sie versichert, Miss Quinn«, sagte sie, »der Prinz von Wales weiß nichts von Ihrer wahren Aufgabe.«
Mary starrte die unbewegten Züge der Königin an. »Ich – ich bin sehr dankbar für Ihr umsichtiges Verhalten, Euer Majestät.«
Die Königin schnaubte leicht. »Unsinn. Man kannGeheimagenten nicht einstellen und sie dann bloßstellen – auch nicht vor dem zukünftigen König. Aber Wir kommen vom eigentlichen Thema ab.
Der zweite Grund, warum Wir Sie heute hergebeten haben, Miss Quinn, ist der, Ihnen für Ihr beispielhaftes Verhalten während des gestrigen Tumults zu danken. Wir sind Ihnen für Ihr rasches, loyales und geistesgegenwärtiges Handeln verbunden. Wären Sie nicht da gewesen, hätte es leicht eine Tragödie geben können.«
»Euer Majestät, Sie sind überaus freundlich, aber der wahre Held des Tages ist Mr Easton«, erwiderte Mary schnell. »Er hat die Kisten mit der Schießbaumwolle entdeckt und Alarm geschlagen. Ich war nur die Überbringerin der Nachricht, Ma’am.«
Die Königin sah sie tadelnd an. »Natürlich haben Wir auch Mr Eastons Rolle berücksichtigt. Aber in diesem Gespräch geht es um Sie, Miss Quinn.«
Mary sagte nichts dazu.
»Wir sind nicht nur dankbar für die schnelle und effektive Überbringung der Nachricht, sondern auch dafür, dass Sie nach unten zurückgekehrt sind, um die Schießbaumwolle zu entschärfen. Wir möchten Ihre tapfere und loyale Tat ganz offiziell anerkennen.«
Mary begannen die Ohren zu klingen – teils, weil sie übermüdet war, da sie letzte Nacht kaum geschlafen hatte, aber vor allem, weil die Unterhaltung, die schon so unwirklich begonnen hatte, nun absolut ins Reich des Fantastischen abdriftete.
»Wir haben Uns mit Unseren Beratern besprochen–
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