Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
kamen eher lahm heraus.
Er runzelte die Stirn, dann sah er sie an. Streckte ihr seine Nase so dicht ins Gesicht, dass er sie fast berührte. »Meine Güte … Sie sehen vielleicht mitgenommen aus. Richtig niedergeschmettert.«
Sie schubste ihn weg. »Danke.«
»Ehrlich«, sagte er aufdringlich. »Sie sehen aus, als ob Sie Tage nicht geschlafen haben. Und wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen?«
Sie schloss die Augen. Vielleicht würde er fort sein, wenn sie sie wieder öffnete.
Stattdessen seufzte er übertrieben auf, und sie hörte, wie er herumkramte. »Sie sind vielleicht melodramatisch. Müssen Sie sich in so einen blassen und interessanten Zustand hungern? Hier.«
Sie spürte, wie er ihre Hand mit etwas anstieß. »Ich will nichts, als dass Sie gehen.«
»Schauen Sie doch erst mal.« Eine Pause. »Los. Ich würde es Ihnen in den Schoß legen, aber dann würden Sie mir den Kopf abreißen.«
Sie öffnete die schweren Lider und sah das in Papier eingewickelte Ding an. Ein kleiner Fettfleck zeichnete sich dunkel auf dem Papier ab und plötzlich konnte sie es riechen: etwas Geräuchertes, Salz, Fett, Brotteig. Das Wasser lief ihr so plötzlich im Mund zusammen, dass sie fast sabberte.
Jones grinste. »Nur zu.«
Sie sah es möglichst misstrauisch an. »Warum laufenSie mit einem Schinkenbrötchen in der Tasche herum?«
»Mein Frühstück. Aber ich glaube, Sie haben es nötiger.«
Sie wickelte das Papier ab und ein warmer Hauch von leckerem Geruch stieg in den winterlichen Morgen. Das Brötchen war goldbraun, der gebratene Speck an den Rändern knusprig. »Falls Sie mal jemanden vergiften wollen«, sagte sie und packte das Sandwich ganz aus, »dann tun Sie es mit einem Schinkenbrötchen.«
Er zwinkerte ihr zu. »Ganz meiner Meinung.«
Es war das Risiko wert. Mary verschlang das Brötchen in zwei Minuten, ungeachtet der Fettflecken auf ihren Handschuhen, der Blicke von Jones und der Ungehörigkeit, dass sie als Dame in der Öffentlichkeit aß! Als sie den letzten Bissen geschluckt und das Mehl von ihren Fingern abgeklopft hatte, fühlte sie sich wieder halbwegs menschlich. »Danke.«
»Es war mir ein Vergnügen. So, nun erzählen Sie doch mal, warum Sie das Haus der Königin im Sonntagsstaat verlassen haben, halb tot und halb verhungert?«
»Lieber nicht.« Sie war jetzt etwas ruhiger. Das Verlangen, Jones zu erwürgen, war mit dem warmen Brötchen verflogen. Doch sie ließ sich nicht um den kleinen Finger wickeln. »Ich habe meinen Teil der Vereinbarung erfüllt. Das war’s.«
»Was ist mit den Hinweisen, die ich Ihnen gegeben habe? Dieses Hacken-Flittchen?«
Sie lächelte spöttisch. »Was für Zeitungsschmierer.«
»Sie haben zu nichts geführt?« Seine Enttäuschung klang ganz echt, aber da sprach wahrscheinlich seine journalistische Selbstgefälligkeit aus ihm.
Mary musste an die Bekenntnisse des Prinzen von Wales denken. »›Nichts‹ würde ich nicht sagen. Aber etwas ganz anderes, als Sie erwartet haben.« Wieder grinste sie hämisch. »Kein Schrot für Ihre anrüchige Mühle.«
»Mist.« Er ließ kurz den Kopf hängen, dann hob sich seine Laune wieder. »Immerhin haben Sie mir ganz schön geholfen. Ich bin Amy Tranter los, und nur für ein bisschen nutzlosen Klatsch und ein Schinkenbrötchen.«
»Sie scheinen die fünf Guineen absichtlich zu vergessen.«
»Bah.« Er machte eine unwirsche Handbewegung. »Immer noch spottbillig.«
»Dann verschwinden Sie jetzt. Sie müssen sicher Skandale erfinden.«
Trotzdem blieb er sitzen. »Wie wär’s mit einem Gläschen? Ich kenne ein schönes kleines Pub hier in der Nähe.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Sie gehen heim? Ich begleite Sie.«
Heim. Mal wieder wusste sie überhaupt nicht, wo ihr Zuhause war. »Nein danke.«
Er sah sie besorgt an. »Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?«
Sie unterdrückte ein Gähnen. »Natürlich.«
»Klingt nicht sehr überzeugend.«
»Ach, zum Kuckuck, Jones, lassen Sie mich in Ruhe.«
Er erhob sich, völlig unbeeindruckt. »Schon besser. Tja, Miss Quinn – ach übrigens, ist das Ihr richtiger Name?«
Wieder eine Frage, die sie nicht wirklich beantworten konnte, nicht mal sich selbst. »Für Sie allemal.«
»Na gut, meine reizende Freundin. Bis zum nächsten Mal.«
»Es gibt kein nächstes Mal«, sagte sie automatisch.
Er setzte seinen Hut auf. »Das wäre ja gelacht. Ich freu mich schon darauf.«
Sie blieb auf der Bank sitzen, bis ein Parkwärter kam und sie aufforderte,
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