Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
werden. Ich wäre äußerst dankbar, Euer Majestät, wenn Sie dafür sorgen könnten, dass sie wieder eingestellt wird.«
Die Königin sah überrascht aus. »Ihre Bitte gereicht Ihnen zur Ehre, Miss Quinn. Ihr wird Folge geleistet.« Sie berührte eine Tischglocke. Das Gespräch war beendet. »Wir wünschen Ihnen bei Ihren zukünftigen Unternehmungen Glück, Miss Quinn. Es war ein Vergnügen, mit Ihnen zu reden.«
»Euer Majestät, nochmals, zu freundlich. Ich werde immer dankbar sein für Ihre Großzügigkeit.«
Zum ersten Mal der Hauch eines Lächelns. »Wir Ihnen auch.«
Fünfunddreißig
Z ehn Minuten später stand Mary vor den Toren des Buckingham-Palasts. Sie fühlte sich seltsam betäubt. Es war seit Neuestem das vorherrschende Gefühl – eine nicht unverständliche Reaktion auf die heftigen Umwälzungen des vergangenen Tages und der letzten Nacht: Geheimagentin. Tochter. Ausbrecherin. Flüchtige. Inzwischen war sie nichts mehr von alldem.
Stattdessen war sie verwirrt, geschmeichelt, gedemütigt durch das Geschenk Ihrer Majestät. Und auch noch reich – urplötzlich war sie in eine Unabhängigkeit gestolpert, deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden konnte. Es entband sie der Notwendigkeit, sich zu entscheiden – zwischen Anne Treleavens und Felicity Frames Vorstellung der Agentur. Es bedeutete, dass sie nie mehr würde arbeiten müssen, wenn sie sparsam und zweckmäßig lebte. Es veränderte auch ihre gesellschaftliche Stellung auf merkwürdige, doch greifbare Weise. Wenn sie nicht arbeiten musste, standen ihr verschiedene Möglichkeitenoffen. Ach wenn sie nicht als Dame geboren war, bedeutete es doch, dass sie als eine solche leben könnte. Es würde auch bedeuten, dass sie eine Mitgift einbringen konnte, sollte sie sich verheiraten wollen. Sie konnte sogar das Ziel von Mitgiftjägern werden, wenn ihr unverhoffter Geldsegen bekannt würde.
Es warf auch neue Fragen auf. Wem konnte sie ihr Geld anvertrauen? Wo sollte sie es anlegen? Sollte sie irgendwo ein kleines Häuschen mieten oder wären ein oder zwei Zimmer doch passender? Wo wollte sie überhaupt wohnen? Wenn sie allein lebte, konnte sie eine Zugehfrau oder ein Mädchen einstellen. Wollte sie das? Wollte sie das Geld mit all seinen problematischen Folgeerscheinungen überhaupt? Wenn ihr Vater etwas länger gelebt hätte, wäre die Entscheidung klar gewesen. Doch jetzt war es vielleicht unkomplizierter, es einfach zu verschenken. Sie hatte noch nie im Leben Geld gehabt. Es würde ihr nicht fehlen, solange sie sich nicht daran gewöhnte.
Nicht zuletzt löste das Geschenk ein wenig angenehmes Gefühl der Befreiung aus. Kein Arbeitgeber, kein Vater, niemand, dem sie von dem Geldsegen erzählen musste. Niemand, vor dem sie sich rechtfertigen musste. Sie war freier und mächtiger als jemals, aber auch einsamer.
Ihr wurde ganz schwindelig – kein Wunder, bei all dem Kummer, der Erschöpfung und dem Hunger, die zu ihrer Verwirrung beitrugen. Daher setzte sie sich auf eine Bank im Park. So etwas machte eineDame natürlich eigentlich nicht. Nicht allein und schon gar nicht an einem kalten Wintermorgen, an dem die Welt von Raureif und schmutzigem Ruß bedeckt war. Aber noch war sie ja keine Dame. Dennoch bedauerte sie, sich hingesetzt zu haben, als sich ein paar Augenblicke später ein vertrauter Herr in einem unordentlichen Anzug neben sie fallen ließ. Sie bekam eine Gänsehaut.
»Lassen Sie mich raten. Sie sind gefeuert worden.«
Sie holte tief Luft und hielt ihren Unmut in Zaum. »Mag sein«, sagte sie. »Aber das geht Sie gar nichts an.«
»Sie sind so unfreundlich«, erwiderte Octavius Jones verletzt. »Kann man nicht ein wenig Höflich keit erwarten?«
Sie überging die Bemerkung. »Amy Tranter hat ihre Stelle zurückbekommen. Sie wird Ihnen wohl keinen Ärger mehr machen.«
Seine Überraschung war echt, doch dann übertrieb er es. »Und wie haben Sie das denn hingekriegt, Mädel? Lassen Sie mich raten: Sie haben die Schuld auf sich genommen wie eine altmodische Heldin und die hartherzige Haushälterin angefleht, Amy wieder einzustellen.«
Sie zuckte die Schultern. »Möglich. Lassen Sie den Scheck, den Sie mir gegeben haben, aber nicht sperren – ich löse ihn ein und gebe Amy das Geld. Jedes Mädchen benötigt etwas Eigenkapital.«
»Und ich soll einfach so glauben, dass Sie es weitergeben?«
»Wenn Amy Sie in Ruhe lässt, ist es dann nicht gut angelegt?« Sie wollte herausfordernd klingen, doch die Worte
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