Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
herumgetrödelt, Quinn«, sagte sie und machte eine wegscheuchende Bewegung mit den Fingern. »Ich bediene Seine Hoheit. Auf dich wartet bestimmt viel Arbeit.«
»Ja, Ma’am.« Mary zog sich mit einem Gefühl der Erleichterung zurück. Sie hätte nie erwartet, froh darüber zu sein, Mrs Dalrymple zu sehen. Mit hörbarem Klicken schloss sie die Tür hinter sich und versteckte sich hinter der nächsten Ecke. Sie musste nicht lange warten: Nach wenigen Sekunden ging die Tür wieder auf, und sie hörte, wie Honoria Dalrymple leise schnaubte. Vielleicht aus Enttäuschung (dass sie Mary nicht beim Lauschen erwischt hatte) oder aus Genugtuung (dass sie mit dem Prinzen allein war). Wie auch immer, die Tür wurde wieder zugeschlagen. Mary wartete drei Minuten, dann schlich sie wieder darauf zu.
»… ein
absoluter
Albtraum!«, trillerte Mrs Dalrymple. »Sie müssen sorgfältiger auf Ihre Sicherheit achten; Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie vom Volk geliebt werden, mein Lieber.«
»Ich – ich werde mich bemühen«, sagte Seine Hoheit. Er klang ziemlich verunsichert.
»Also, jedes Mal, wenn jemand Ihren Namen ausspricht,ist es mit Respekt und freudiger Erwartung. Ihre Untertanen – Ihre zukünftigen Untertanen, meine ich – bringen Ihnen ganz ungewöhnlich viel Wohlwollen und Zuneigung entgegen.«
Verwirrt hörte Mary zu. Was hoffte die Hofdame mit solcher Schmeichelei zu erreichen?
»Sie sind sehr freundlich.« Doch der Ton des Prinzen war eher zurückhaltend als erfreut.
»Noch eine Tasse Tee?«, bedrängte ihn Mrs Dalrymple. »Oder noch ein Stück Kuchen?«
»Danke, nein.«
»Ich verstehe bestens, dass dieses Trauma Ihnen den Appetit verdorben hat. Aber Sie müssen bei Kräften bleiben, lieber Prinz. Ihr Volk braucht Sie.«
»Ich habe genug gehabt«, sagte Prinz Bertie, der inzwischen etwas verdrossen klang. Offenbar konnte auch verwöhnten jungen Prinzchen überschwängliche Anteilnahme zu viel werden.
Es folgte eine kurze Stille. Als Mrs Dalrymple wieder sprach, war ihre Stimme um einiges weniger schrill. »Wird Ihre Majestät die Königin uns heute nicht Gesellschaft leisten? Ich dachte, sie –«
Der Satz wurde unterbrochen vom Klang einer zerbrechenden Teetasse – und weiterem Geschirr. »Schluss! Es reicht mir jetzt! Warum kann man mich nicht einfach in Ruhe lassen?!«
Rasch verschwand Mary wieder um die Ecke. Kurz darauf flog die Tür auf und der Prinz rannte völlig aufgelöst den Korridor entlang. Aus dem Salon war nichts zu hören.
Mary verschwand nach unten in den Dienstbotenbereich, um auf weitere Anordnungen zu warten. Die Haltung der Königin war klar. Ebenso die des Prinzen. Aber was spielte Honoria Dalrymple für ein Spiel?
Neun
D ie Abendandacht war immer kurz – im Dienstbotenbereich zumindest. Das Hauspersonal, erschöpft von der Arbeit des Tages, hatte im Allgemeinen nichts anderes im Sinn, als sich zur Nachtruhe zu begeben, sobald das späte Abendessen im Palast serviert worden war, die königliche Familie sich zurückgezogen hatte und die Küche gefegt und gereinigt war. Amy hakte sich bei Mary ein, als sie die schmale Treppe zu ihrer Dachkammer hochstiegen. Ihr oberflächliches Geplapper klang hell durch das übrige Seufzen und Murren.
Geduldig hörte Mary ihr zu. Es war ihr ein echtes Rätsel, was Octavius Jones von der leichtfertigen, schwatzenden Amy wollte. Da gab es natürlich das allzu Offensichtliche, doch dafür musste er nicht gerade auf Amy verfallen; eine Dienerin im Königshaus hatte wenig Freizeit. Nein, er musste hinter Informationen her sein – und es war gerade Amys Anstellung, der sein wahres Interesse galt. Aber was wollte er wissen?
Natürlich! Wieso war sie nicht gleich darauf gekommen? Octavius Jones hatte Amy gut ausgewählt. Sie war nicht nur total in ihn vernarrt, sie war auch das Dienstmädchen, das die Besuchersalons reinigte und abstaubte. Keiner war besser in der Lage als sie, den Zierrat zu stehlen. Es war ein Leichtes für Amy, eine Schnupftabakdose oder eine kleine Porzellanfigur in ihrer Handtasche mitzunehmen, wenn sie ausging und sich mit Jones traf. Und da Amy das ganze Risiko trug, war Jones auf der sicheren Seite, selbst wenn man sie erwischte. Er konnte sich wahrscheinlich sogar auf ihr Schweigen verlassen, falls sie verhört wurde.
Diese Theorie führte zu einer neuen Sicht der Diebstähle. Mary hatte bisher angenommen, dass gewöhnliche Habgier der Grund war. Die gestohlenen Dinge waren von guter Qualität, wenn
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