Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
Plan war zwar alles andere als originell, aber ihre Schamlosigkeit hatte etwas Rührendes.
Amy rieb Seife auf einen Waschlappen und wusch sich mit raschen, kräftigen Bewegungen. »Ich hab vorgeschlagen – du weißt schon, ein bisschen neckisch –, dass wir zu ihm gehen, aber er sagt, dass seine Wirtin ziemlich sauertöpfisch ist, und er will es sich nicht mit ihr verderben. Wenn wir verheiratet sind, ziehen wir natürlich in ein richtiges Haus.«
Mary hütete sich, Amys Wunschfantasien infragezu stellen; eine Frau, die entschlossen war, ihre Freiheit durch die Ehe zu erringen, würde nicht auf eine miesepetrige Jungfer hören. Amy folgte nur den Konventionen. Dennoch konnte Mary sich eine vorsichtige Frage nicht verkneifen. »Glaubst du, dass du in einer Ehe mit Mr Jones glücklich sein wirst?«
Amy sah sie voller Verblüffung an. »Dann bin ich die Dame des Hauses und muss nie wieder einen Nachttopf auswischen. Wenn du das nicht glücklich nennst, weiß ich nicht, was dir fehlt.«
»Ich meinte, glücklich mit Mr Jones.«
»Ach, Tavvy. Doch, er ist ganz in Ordnung, glaube ich. Immerhin ist er ein Herr und das ist doch entscheidend.«
Mary zuckte nachdenklich die Schultern. Zumindest war Amy nicht geblendet von romantischen Vorstellungen … »Na gut – wegen morgen Abend. Was soll ich machen?«
Erst als sich Amy zusammengerollt hatte und den Schlaf der gerechten Ränkeschmiedin schlief, ließ Marys Belustigung nach. Den ganzen Abend hatte sie sich vor dieser Aufgabe gefürchtet. Schließlich gewann die Disziplin, die sie sich an der Akademie angeeignet hatte, die Oberhand, und sie zog einen dünnen Ordner unter ihrem Bett hervor, nahm ein billiges Blatt Papier heraus, dazu Feder und Tinte, und machte sich daran, einen Brief zu schreiben.
Ihr Vater konnte hinlänglich lesen und schreiben. Seine Antwort – wenn er antwortete – würde eineunmittelbare erste Überprüfung seiner Identität sein. Natürlich nur, falls er nicht diktieren musste, weil er zu schwach zum Schreiben war. Oder das Opium sein Gehirn zerstört hatte. Oder man ihm keine Feder zur Verfügung stellte. Es gab viele mögliche Hindernisse. Trotzdem, sie würde mit einem Brief anfangen.
Lieber Mr Lang –
Sie starrte die Worte und die leere Fläche darunter an. Sie konnte kaum mit den Worten anfangen:
Möglicherweise bin ich Ihre Tochter.
Sie blickte das Blatt an, bis alles verschwamm und sie die bittersüße Armut ihrer Kindheit sehen und riechen konnte. Ein lautes Schnarchen von der anderen Seite der Kammer ließ sie zusammenfahren und sie kehrte in die Gegenwart zurück.
Schließlich tauchte sie die Feder wieder ein und schrieb:
Möglicherweise habe ich Informationen, die für Ihren
Fall hilfreich sind. Bitte antworten Sie, sobald es Ihnen gut genug geht, um Besuch zu empfangen.
Mit besten Grüßen!
Eine Freundin
Schnell drückte sie Löschpapier auf die Seite und nahm sich nicht die Zeit, den Brief nochmals durchzulesen. Einen Augenblick später war er versiegelt, adressiert und frankiert, und sie zog ihren Mantel an und setzte den Hut auf. Nach Dienstschluss zumnächstgelegenen Briefkasten hinauszuschleichen, war riskant, wenn auch viel weniger, als den Brief über Nacht zu behalten. Und wenn sie eine positive Antwort bekam, war es das geringste der Risiken, die sie in den nächsten Tagen würde eingehen müssen.
Den Palast ohne Mrs Shaws Erlaubnis zu verlassen, war streng verboten. Doch wie viele verbotene Dinge war es ziemlich einfach. Nachts war es in herrschaftlichen Häusern üblich, dass die Lakaien vor den Vorratsräumen schliefen, um das wertvolle Tafelsilber Ihrer Majestät besser bewachen zu können. Theoretisch musste jeder Dieb, der an den Königlichen Leibgardisten vor dem Palast vorbeigekommen war, mindestens an einem Kricketschläger schwingenden Diener vorbei, ehe er die königlichen Kandelaber zu fassen bekam. In der Praxis aber hatte Mary schon bald bemerkt, dass die Diener vor den Türen die jüngsten, neuesten waren, die am härtesten arbeiten mussten – und daher auch am tiefsten schliefen. Man konnte ohne Sorge an ihnen vorbeischleichen.
Daher schlüpfte Mary hinaus, ohne sich weiter um die internen Wachen im Palast zu kümmern. Draußen jedoch standen die wahren Wachposten – die Leibgarde, deren Aufgabe es war, die Herrscherin zu bewachen, nicht das Silberzeug. Sie waren ausgebildet, bewaffnet und diszipliniert. Mary fröstelte. Jetzt hatte sie noch die
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