Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
muss!«
»Oder vier Schilling sind nicht viel Geld für ihn.«
Es war ein gefundenes Fressen für den ganzen Tisch, und während die Spekulationen Blüten trieben, fing Mary den Blick von Mrs Shaw auf. So viel war sicher: Für die Haushälterin war sie jetzt eindeutig, wenn auch inoffiziell, auf Bewährung. Auch Amys Blick war unheilverkündend und deutete an, dass ihr Valentinstag nicht nach Plan verlief.
»Hier, du kokettes Ding.« Die Frau neben Mary reichte ihr eine große Steingutschüssel mit Pellkartoffeln. »Hast du wirklich keine Ahnung, wer dir die Karte geschickt hat?«
»Keinen Schimmer.« Mary nahm eine Kartoffel und sah hoffnungsvoll über den reich gedeckten Tisch: eine große Schüssel mit Hackfleisch und kal tem Geflügelbraten, der vom Vortag von dem Essen für die Herrschaft übrig war. Verschiedene Schüsseln mit Gemüse. Etwas, das nach Lachspasteten aussah. Gekochter Schinken. Brotscheiben mit Butter. Selbst glibberige Sülze, die Sadie besonders zu mögen schien, wenn man von der Portion ausging, die sie sich auftat. Es gab mehr Essen, als sie bei dieserMahlzeit verzehren konnten. Sofort hatte Mary ein schlechtes Gewissen. Nach der schlechten Ernte und dem langen, harten Winter sahen die armen Leute in den Straßen noch dünner und verhärmter aus als sonst.
Sadie drehte sich zu ihr um und unterzog sie einer kühlen, genauen Musterung. »Hübsch bist du ja. Aber du hast spindeldürre Beine. Männer mögen es, wen ein Mädchen ein bisschen was auf den Rippen hat.« Sie wackelte anzüglich mit ihrer üppigen Oberweite. »Etwas zum Festhalten. Obwohl, scheint ihm ja nichts auszumachen.«
Mary schöpfte sich ein paar gekochte Rüben auf den Teller. »Ich glaube nicht, dass sie viel bedeutet. Die Valentinskarte, meine ich.«
Das Essen zog sich hin. Alle redeten darüber, wer was bekommen hatte und was es zu bedeuten hatte – ein bisschen wie in einem Klassenzimmer voller zwölfjähriger Mädchen, fand Mary. Ihre Karte blieb ihr ein Rätsel. Nachdem sie durch sämtliche Hände gewandert war, schob Mary sie in den Umschlag zurück und legte sie auf den Stuhl hinter sich. Sie suchte Augenkontakt mit Amy, doch die starrte mit grimmig zusammengekniffenen Lippen auf die Tischdecke. Ganz offensichtlich hatte Octavius Jones ihre Erwartungen enttäuscht. Und auf einmal war die Sache so völlig durchschaubar, dass Mary zusammenzuckte.
Sadie sah sie mit flüchtigem Aufmerken an. »Was ist los?
»Nichts.« Mary nahm einen großen Schluck von Mrs Shaws ausgezeichnetem Apfelwein – noch so ein Luxus hier im Palast. Dann beteiligte sie sich an den vergnügten, nichtssagenden Gesprächen um sie herum. Mit einem ihrer Probleme konnte sie zumindest selbst fertig werden.
Nach dem Essen gab es eine Stunde Freizeit, ehe die nachmittäglichen Pflichten begannen, und Mary eilte in ihre Kammer hinauf. Sie wollte allein sein, um den zweiten Brief zu lesen, den die anderen in ihrer Aufregung über die extravagante Valentinskarte nicht bemerkt hatten. Doch als sie oben war, lag Amy bereits bäuchlings auf ihrem Bett, das Gesicht zur Wand gedreht. Mary unterdrückte ein Seufzen, als sie Amys zerknüllte Valentinskarte auf ihrer Decke sah. Während sie noch dastand und überlegte, was sie sagen sollte, wandte ihr Amy ihr nasses, tränenüberströmtes Gesicht zu.
»Du hast dich ja nicht mal über diese verflucht auf wendige Valentinskarte gefreut.«
»Habe ich auch nicht. Ich weiß nicht mal, von wem sie ist, und das macht mich nervös.«
Jetzt hob Amy den Kopf. »Nervös? Du solltest überglücklich sein!«
Mary zuckte die Schultern. »Und wenn es sich nun um irgendeinen dummen Scherz handelt?«
»Sehr teurer Scherz! Nein, ich glaube, wer dir die geschickt hat, meint es ernst.«
Insgeheim gab ihr Mary recht – wenn auch nichtso, wie Amy dachte. »Und was ist mit dir? Du scheinst enttäuscht zu sein.«
Amy zog die Nase hoch, setzte sich auf und schnipste ihre zerknüllte Valentinskarte zu Boden. »Das wärst du auch, wenn das alles wäre, was du von deinem feinen Verehrer bekommen hättest.«
Mary sah hinunter. »Darf ich …?«
»Klar. Ist nichts Besonders«
Mary hob die Karte auf und strich sie glatt. »Sie ist doch hübsch.« War sie auch – gutes Papier mit einem Bild von roten Rosen und echter Spitze an den Rändern. Sie war allerdings nicht so angeberisch wie die von Mary.
»Es ist nicht die Karte, die mich ärgert – lies doch mal!«
Mary gehorchte. »Meiner lieben Amy
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