Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
sie.
Dunkles, bröckelndes Mauerwerk schimmerte über ihr.
Und vielleicht fünfzig Meter vor ihr war ein kleiner Stocherkahn, der in Richtung Themse fuhr, gesteuert von einer Gestalt in triefendem Ölzeug. Er sah sich nach dem Lichtschein um und entdeckte Mary. Sie konnte seinen Ausdruck nicht erkennen, aber es kam ihr so vor, als würde er sie genau in Augenschein nehmen.
Ganz kurz erwog sie die Möglichkeit, ihre Laterne in seinen Kahn zu schleudern, aber das war aus der Entfernung aussichtlos. Stattdessen musste sie sich damit zufriedengeben, ihn durch die Strömung gleiten zu sehen und sich so viel wie möglich zu merken. Er steuerte mit Geschick, allerdings nicht mit so ökonomischen Bewegungen, wie man sie gewöhnlich von den Flussschiffern kannte. Erst als er außer Sicht war, machte sie sich auf den langen Weg zurück zu James. Sie hoffte, dass er besser auf sie gehört hatte als sie auf ihn und nichts Dummes angestellt hatte.
***
In verbissenem Schweigen machten sie sich auf den Rückweg. Trotz seiner Verletzungen bestand James darauf, dass Mary vor ihm die Leiter hinaufstieg, und das Erste, was sie sah, als sie herauskam, war Barkers vorwurfsvolles Gesicht. Er sprang vom Kutschbock, und als sie sich umwandte, um James zu helfen, stieß er sie grob und ohne Entschuldigung beiseite.
»Noch mal davongekommen, Sir«, sagte er rau und zerrte James so schnell aus dem Schacht, dass beide etwas taumelten.
»Mach nicht so ein Theater, Barker«, sagte James und klang so verärgert wie üblich. »Woher willst du wissen, dass wir nicht einfach einen netten kleinen Ausflug hatten?«
»Widerhall, Sir. Hab gehört, wie Sie von weit her gebrüllt haben.«
»Aber uns fehlt nichts. Das heißt, mir fehlt nichts. Und Mary hat den Schurken ein gutes Stück durch den Kanal gejagt, daher nehme ich an, ihr fehlt auch nichts.« Er drehte sich nach ihr um. »Stimmt doch, oder?«
Sie nickte. »Aber du blutest.«
»Wo?« Er hob die Hand zum Gesicht, doch sie schlug sie schnell weg.
»Nicht mit den schmutzigen Handschuhen«, sagte sie leise, dann sah sie Barker an. »Sie haben nicht zufällig Verbandszeug und etwas, um die Wunde zu reinigen?«
Zu ihrer Verwunderung antwortete er ohne seineübliche Feindseligkeit: »Unter der hinteren Sitzbank ist ein kleiner Kasten.«
Sie entledigte sich bereits ihrer Jacke und Hose und war bemüht, ihre Röcke möglichst sittsam glatt zu streichen. Aber wem wollte sie etwas vormachen? »Rein mit dir«, sagte sie zu James. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.« Sie riss die Wagentür auf und bedeutete ihm, einzusteigen.
»Wenn ich nicht so voller Schlamm wäre, würde ich ja das Beste aus der Situation machen«, murmelte er und zuckte anzüglich mit den Augenbrauen. Dann verzog er das Gesicht. »Autsch. Da blutet es wohl, oder?«
Sie lachte. »Steig endlich ein. Wir müssen reden, während ich diese böse Wunde behandle.«
Seine Verletzungen waren lange nicht so schlimm wie befürchtet: ein fünf Zentimeter langer Schnitt über der Augenbraue und ein paar kleinere Blessuren. Die dicken Schutzhandschuhe hatten ihren Dienst getan: Wenn die Laterne an seinen bloßen Händen zersprungen wäre, hätte er nicht nur Schnitte, sondern auch Brandwunden davongetragen. Wie Barker gesagt hatte, fand sie ein Kästchen mit Verbandszeug, sauberen Kompressen, einer Schere und sogar eine Pinzette.
Sie entfernte vier glitzernde Splitter aus seinen Wangen und legte sie sorgfältig auf ein sauberes Taschentuch. »Das wird jetzt wehtun«, warnte sie ihn, als sie eine Flasche mit Whisky entkorkte.
»Ausgleichende Gerechtigkeit; ich habe letztesJahr das Gleiche mit dir gemacht, auch hier in dieser Kutsche.«
Sie lächelte, als sie daran dachte. »Mitten in der Nacht.«
»Hast du Narben davon behalten?«
Sie zeigte ihm ihre Hand, auf der die Male von Angelica Thorolds Fingernägeln noch zu sehen waren. »Ganz kleine. Aber keine Sorge: Deine Narbe wird richtig draufgängerisch aussehen.«
Er ertrug ihr sorgfältiges Desinfizieren stumm. Nur seine zusammengebissenen Zähne deuteten an, dass es wehtat, als der Alkohol die offenen Wunden berührte. »Gibt es einen Grund dafür, dass du die Dinger aufhebst?«, fragte er und deutete auf die Glassplitter. Seine Haut fühlte sich unter ihrer Berührung sehr warm an und sanft streifte sein Atem ihre Wange.
Sie konzentrierte sich darauf, den Schnitt zu säubern. »Möchtest du nicht wissen, wer der Mann war?«
»Ich habe ihn gefragt …«
»Ja, das hat ja
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