Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
Mittelmäßigkeit oder Selbstmitleid oder Trunkenheit anziehen?« Am liebsten hätte sie geschrien. »Und drittens, warum lassen wir uns auf so einen dummen und sinnlosen Streit ein?«
Er grinste und schien auf einmal erleichtert. »Das tun wir doch öfter …«
Sie sah ihn eine Weile unwillig an, dann seufzte sie. »Du kannst einen wirklich rasend machen.«
»Ich glaube, ich habe das schon mehrfach gesagt … Topf und Deckel.«
»Hör auf, mir mit deiner Laterne ins Gesicht zu leuchten.«
»Es ist so ein hübsches Gesicht.«
»Das reicht jetzt«, knurrte sie und versuchte, das angenehme Gefühl bei seinem Kompliment zu ignorieren,egal, aus welchem seltsamen Grund er es gemacht hatte. »Also, was wissen wir bisher? Nur, dass es einen Geheimgang ohne ersichtlichen Nutzen gibt. Er scheint weder regelmäßig noch kürzlich benutzt worden zu sein – er ist voller Spinnweben. Und verbunden mit der Kanalisation.«
»Ich habe die Kanalarbeiter, die diesen Teil warten, ausgefragt. Sie schwören Stein und Bein, dass sie nichts darüber wissen; dass sie geglaubt haben, es handle sich nur um einen weiteren Entlüftungsschacht.«
»Einen Entlüftungsschacht?«
»Eines der Risiken bei Abwassersystemen besteht darin, dass sich gefährliche Gase bilden. Einige können zum Erstickungstod führen; andere können Explosionen auslösen. Entlüftungsschächte lassen die Gase nach oben entweichen.«
Mary betrachtete die Laterne mit neuem Respekt. »Glaubst du ihnen? Das mit dem Schacht?«
»Also, es klingt ziemlich wahrscheinlich. Sie können nicht alle lügen. Und wenn ihn jemand untersucht und gemerkt hätte, dass es ein richtiger Tunnel ist, dann hätte er ihn doch inzwischen eingezeichnet und den Verantwortlichen im Palast davon Meldung gemacht.«
Mary nickte. »Sollen wir ihn uns ansehen?«
Siebzehn
S pritzend stapften sie auf die Öffnung zu. Sie war annähernd kreisförmig, hatte einen Durchmesser von circa siebzig Zentimetern und befand sich in der oberen Hälfte der Tunnelwand. Sie kam Mary absolut harmlos vor: keine losen oder angeschlagenen Backsteine, keine Unregelmäßigkeiten. Es war nichts als eine glatte Öffnung, verputzt mit Mörtel und provisorisch verbarrikadiert mit Holzbrettern.
»Das ist natürlich dein Werk.« Die Bemerkung war überflüssig. Sie kannte die Antwort schon.
»Der Tunnel ist hier ziemlich baufällig – siehst du die bröckelnden Ziegel? Man könnte sie mit einem Teelöffel herauskratzen.«
Mary sah es wohl. »Ist es denn sicher hier?«
Er zuckte die Schultern. »Er wird nicht gerade heute Nacht einstürzen …«
»Nicht sehr beruhigend.«
Er grinste. »Ich dachte, du liebst die Gefahr.«
Es war klüger, darüber hinwegzugehen. »Hast du ihn nur deswegen abgesperrt?«
»Es ist eindeutig kein Abflusskanal. Ist auf den Plä nen nicht eingezeichnet. Er ist trocken. Und es gibt genug Idioten, die in die Abwässerkanäle steigen, weil sie meinen, hier ein Vermögen zu finden – Silberlöffel, Goldmünzen, die man nur einsammeln muss. Es ist unvernünftig, ihnen Verstecke zu bieten.«
Mary nickte. »Bis du mit der Arbeit begonnen hast, war der Tunnel von der Hauptkanalisation her also leicht zugänglich.«
»Ja. Und wahrscheinlich schon, seit er gebaut worden ist.«
Sie starrten sich ratlos an. Es ergab einfach keinen Sinn. Und da sie nicht wussten, aus welcher Zeit der Tunnel stammte, konnten sie nicht mal raten, wozu er ursprünglich gedacht war – und ob es derselbe Zweck war, den Honoria Dalrymple verfolgte.
In den Moment der Stille drang ein alltägliches, jedoch ganz unerwartetes Geräusch – etwas, das Mary das Blut in den Adern gefrieren ließ, sodass sie alle weiteren Fragen vergaß. Es war ein schwaches, aber eindeutiges Husten. Und es kam aus nicht allzu weiter Entfernung.
James’ Kopf fuhr herum – sie hatte es sich also eindeutig nicht eingebildet. Er drehte sich zu ihr zurück und sie nickte auf seine unausgesprochene Frage. Schnell und geräuschlos dimmten sie ihre Laternen. Sie brauchten eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Doch es war nicht ganz schwarz – irgendwo, in der Tiefe des Tunnels hinter James waretwas – nicht direkt ein Licht, aber die Andeutung eines schwachen gelblichen Scheins, der näher kam.
Während sich Marys Augen an die Schatten und undeutlichen Konturen gewöhnten, sah sie, dass James herumfuhr, um dem Eindringling entgegenzutreten. Er – oder sie – kam aus der
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