Skelett
hatte er noch niemandem von Buchanans Beobachtung, die ihn überhaupt erst auf Michael aufmerksam gemacht hatte, erzählt.
Tweed war mittlerweile aufgestanden und zur Tür gegangen. Jetzt drehte er sich um und stellte Volkanian eine letzte Frage.
»Da wäre noch etwas, Drago. Mir erscheint es mehr als logisch, dass die fünf Personen, die über den Standort der Waffenfabrik Bescheid wissen - oder wussten -, auch einen Schlüssel dazu haben - beziehungsweise hatten. Einschließlich Lee.«
»Ihre Schlussfolgerung ist korrekt. Aber ich habe noch eine andere Information für Sie, die Ihnen vielleicht weiterhilft. Alle fünf Personen haben armenisches Blut in den Adern. Unser Volk hat in den vergangenen Jahrhunderten nur überleben können, weil es einen wachen, bisweilen auch verschlagenen Verstand entwickelt hat. Armenier sind schlau, und Sie sollten sich nie darauf verlassen, dass sie Ihnen die Wahrheit sagen.«
»Mit einer Ausnahme natürlich - und die sind Sie«, entgegnete Tweed höflich. »Übrigens stimme ich Ihnen zu. Ich weiß, dass ich in diesem Fall im einen oder anderen Punkt belogen wurde, egal, mit wem ich diesbezüglich gesprochen habe.«
»Dann seien Sie also auf der Hut, mein Freund. Sie sind ein kluger Mann. Ich bin mir sicher, dass wir uns wiedersehen.« Drago reichte Tweed seine Visitenkarte. »Wenn Sie mich erreichen wollen, dann rufen Sie diese Nummer an und nennen Ihren Namen. Ich werde die Anweisung geben, dass Sie dann direkt zu mir durchgestellt werden.«
Als sie in die Diele traten, fiel Paula auf, dass Sasha neben der Eingangstür stand und eine Art Deckel in der Wand zufallen ließ. Volkanian fasste Paula am Arm. »Ich habe gesehen, dass Sie meine Wandteppiche bewundert haben. Welcher hat Ihnen denn am besten gefallen?«
»Der dort drüben. Sein Muster ist einzigartig und umwerfend schön.«
Als sie zur Eingangstür kamen, hob Sasha den Deckel wieder. Dahinter wurde ein Monitor sichtbar, auf dem die Jermyn Street ungefähr fünfzig Meter in beide Richtungen deutlich sichtbar war. Sasha wandte sich an ihren Arbeitgeber.
»Ich habe Mr Tweeds Wagen nicht aus den Augen gelassen. Es war niemand in seiner Nähe.«
»Das war sehr aufmerksam von Ihnen«, sagte Tweed.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
Volkanian betätigte die beiden Schalter, um die Tür zu entriegeln, und schüttelte seinen Gästen dann zum Abschied die Hand. Als sie draußen waren, ging die Tür sofort wieder zu.
18
Am Nachmittag des nächsten Tages waren sie bereits in Frankreich und brausten im schnellen TGV mit über zweihundert Stundenkilometern in Richtung Süden. Tweed und Paula teilten sich ein Abteil erster Klasse, in dem sie die einzigen Fahrgäste waren.
Es war Anfang März, und die Sonne strahlte vom Himmel. Paula schaute aus dem Fenster auf eine Allee mit unbelaubten Pappeln, die wie eine lange Reihe Reisigbesen an ihrem Fenster vorbeiflogen. Tweed, der neben ihr saß, nahm hingegen keinerlei Notiz von der Aussicht und schien völlig in Gedanken versunken zu sein. Vor der Tür zu ihrem Abteil stand Marler und hielt Wache.
»Woran denken Sie gerade?«, fragte Paula.
»Ich gehe in Gedanken noch einmal alle Orte und Personen durch, mit denen wir es in diesem Fall bisher zu tun hatten. Und dabei werde ich das Gefühl nicht los, dass ich etwas übersehen habe. Heute Nacht hatte ich nämlich einen seltsamen Traum. Ich war wieder bei der Kirche nahe Abbey Grange und hörte das infernalische Geläut der Glocken, und dieser Reverend Stenhouse Darkfield kam mit einem Messer in der Hand auf mich zu. Die Klinge des Messers war auf der einen Seite rasiermesserscharf und auf der anderen mit Sägezähnen versehen. Daraufhin bin ich aufgewacht und konnte bis zum Morgen nicht mehr einschlafen.«
»Träume haben immer eine Bedeutung. Sie rufen einem im Schlaf das ins Gedächtnis, was man im wachen Zustand übersehen hat. Halten Sie den Reverend denn für verdächtig? Da war doch auch diese Geschichte mit der Sekte …«
»Die können Sie vergessen. Außer Sie sind der Meinung, dass sie sowohl im Dartmoor als auch in London aktiv ist.«
»Wo Christine Barton ermordet wurde.«
»Und dieser Privatdetektiv namens John Jackson ist in Wensford ermordet worden. Es dürfte ziemlich unwahrscheinlich sein, dass eine Sekte aus dem Dartmoor an so vielen verschiedenen Orten ihr Unwesen treibt.«
»Wissen Sie, welcher Punkt mich viel mehr beschäftigt?«, sagte Paula. »Dass die Leiche, die wir in dem Schneemann gefunden haben,
Weitere Kostenlose Bücher