Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
schon, die würden nie gehen. Ich glaube, es gibt keine Familie aus dem Dorf, über die sie uns nicht ausgequetscht haben. Schlimm ist das – man fühlt sich einfach nicht wohl dabei, so über die Nachbarn zu reden. Doch ich fürchte, wenn so was hier passiert, dann muss es wohl sein.« Sie zögerte. »Sie haben auch eine Menge Fragen über Clive gestellt.«
»Oh«, sagte Mum steif.
Mrs Crombies Klatsch-Sensoren blieben an Mums erschüttertem Gesicht hängen. »Meinen Derek haben sie auch in die Mangel genommen. Als es passiert ist, war er mit dem Hund spazieren. Er hat ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass die Carlisles sehr angesehene Kunden sind.« Sie unterbrach sich und ihre Stimme schwankte ein bisschen. »Du weißt ja, dass er es nie besonders gut fand, dass ich mich in der Aktionsgruppe engagiert habe, Tanya. Nicht dass er die Ziele nicht unterstützt, oder so … aber, nun ja, er bringt eben nicht gerne die Kunden gegen sich auf.« Sie lächelte Mum entschuldigend an. »Weißt du, sie haben uns sogar über den armen John Norman ausgefragt.«
Mum runzelte die Stirn. »Über John? Warum?«
»Das haben sie nicht gesagt. Sie haben nur gefragt, ob wir wüssten, was er an dem Abend gemacht hätte.«
Mums Gesicht verfinsterte sich. »Hat der arme Mann nicht schon genug Probleme? Er geht doch überhaupt nicht mehr aus dem Haus. Warum interessieren sie sich dafür, was er gemacht hat?«
»Sie wollten es eben wissen. An dem Tag habe ich ihm nach Ladenschluss eine Kiste mit Lebensmitteln vorbeigebracht. Als John die Tür öffnete, trug er nur Schlafanzug und Bademantel. Ich glaube, seit Lindsay tot ist, ist es ihm die meiste Zeit über egal, wie er rumläuft.«
»Tja, seit er sie verloren hat, ist er überhaupt nicht mehr er selbst.«
Mrs Crombie nickte und zog die Soße über den Scanner. »Man sagt ja, es sei das Allerschlimmste, ein Kind zu verlieren. Es ist also nur zu verständlich, wenn er sich verändert hat. Deshalb war ich froh, dass Derek beim Gassigehen aufgefallen ist, dass in Johns Wohnzimmer Licht brannte.«
»Das war wirklich ein Glück«, sagte Mum gepresst.
Ich fragte mich, was Mr Crombie über Dad gesagt hatte. Ob er ihn gesehen hatte oder nicht. Mum würde sich natürlich nicht danach erkundigen, aber ich sah, dass auch sie sich Sorgen machte.
»Ja, und auf dem Rückweg hat er John durch die Glasscheibe in der Haustür dabei beobachtet, wie er für die Nacht alles abgeschlossen hat. Ich wette, wenn er ihn nicht gesehen hätte, hätten sie sich die arme Seele auch noch vorgeknöpft.«
Ich fragte mich, ob sich Mr Crombie mit seiner Neugier bei seiner Frau angesteckt hatte.
»Und dann haben sie mit David Morris angefangen. Immer und immer wieder. Nachdem Clive losgefahren war, ist David wohl noch auf ein Bier in den
Grünen Mann
gegangen.« Sie hielt inne, um Luft zu holen und das Geld entgegenzunehmen, das Mum ihr hinhielt. »Danke. Und weißt du was? Sie haben ihn auf die Wache bestellt, damit er eine DNA-Probe abgibt – nur weil er nach Hause gegangen ist, bevor der Pub zugemacht hat. So was habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört. Nicht mal in seinem eigenen Dorf kann man herumspazieren, ohne wegen aller möglichen Sachen beschuldigt zu werden.«
Neugierige alte Schachtel!
Ich war mir sicher, dass sie auch etwas über Dad gehört hatte. Und jetzt stellte sie Mum auf die Probe.
Mum nahm die Soße von der Theke und wollte gerade die Flucht ergreifen, aber Mrs Crombie fuhr dazwischen, bevor sie entkommen konnte. »Jedenfalls habe ich zu den Polizisten gesagt, wenn sie mich fragen, dann sollten sie diesen Jungen suchen.«
»Welchen Jungen?«, fragte Mum der Höflichkeit halber, denn ihre Augen waren schon auf die Tür gerichtet.
»Der Junge, der an diesem Abend hier seinen Lohn verplempert hat. Ich habe ihn vorher noch nie gesehen. Er hat sich Alkohol gekauft, Tanya. Und er war richtig aggressiv. Er hat mir Angst gemacht, das gebe ich offen zu.«
»Mum?« Ich zog sie am Ärmel und wünschte, ich hätte telepathische Kräfte und könnte das Regal über Mrs Crombies Kopf zum Einsturz bringen. »Können wir jetzt gehen?« Dann zerrte ich Mum praktisch aus dem Laden, bevor sie kapierte, über wen die alte Hexe da sprach.
38_Ryan
An einem Samstagnachmittag um drei Uhr war der Wintermarkt im Stadtzentrum von Whitmere voller Leute, die prall gefüllte Tüten mit Weihnachtsgeschenken bei sich trugen.
Wahrscheinlich würde es nun an jedem Markttag bis Mitte Dezember so voll
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