Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
wusste, was Männer in ihr sahen, und legte es gezielt auf diese Wirkung an, zu der auch der korallenrote Lippenstift und der passende Nagellack an den Fingern beitrugen. Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, ihre analytischen Fähigkeiten durch ihre äußere Erscheinung zu tarnen. Männer beeindruckte es nicht, dass sie zwölf vierstellige Zahlen in knapp zehn Sekunden im Kopf addieren konnte.
Von der Tür aus warf sie kurz noch einmal einen Blick in die Wohnung, in der sie die nächsten drei Monate zu Hause sein würde. Ihr Auftraggeber war ausnahmsweise nicht in einer Großstadt ansässig und stellte keine Unterkunft zur Verfügung. Sie hatte Glück gehabt und war auf dieses Ehepaar gestoßen, das die Winter immer in Arizona verbrachte. Mia fand die kalte Jahreszeit in Virginia nicht so schrecklich, die beiden aber schon.
Sie hatten ihr die Wohnung günstig überlassen – sie zahlte fast keine Miete. Die alten Leute meinten, Mia tue ihnen einen Gefallen, und sie seien eine Sorge los, weil sie wüssten, dass jemand ihre Pflanzen gieße und sich um den fetten, trägen Kater kümmere. Mia hatte für Haustiere nicht viel übrig, doch sie würde es wohl hinkriegen, ihm drei Monate lang Futter und Wasser zu geben. Der rotbraun getigerte Kater starrte sie aus seinem Versteck unter dem Couchtisch an.
»Gegen sechs bin ich wieder da, Peaches.«
Das Tier blieb bemerkenswert gleichgültig.
Mia trat nach draußen in die frische Morgenluft und sah zum Himmel hinauf. Es versprach, ein prächtiger Tag zu werden, klar, kühl und schön. Aber statt ihn zu genießen, würde sie einen Betrüger entlarven müssen. Wirklich schade.
Mit einem Schulterzucken ging sie zu ihrem Mietwagen. Ihr eigenes Auto hatte sie irgendwann mal verkauft, da sie häufig in Übersee arbeitete und kaum dazu gekommen war es zu fahren. Seitdem verlangte sie einen Mietwagen als Teil des Honorars, und kaum eine Firma bezahlte den nicht. Wenn sie jemanden brauchten, der heimlich, schnell und leise einen peinlichen internen Betrugsfall aus der Welt schaffte, dann stellte die Miete für einen Ford Focus ihr geringstes Problem dar.
Der Wagen war blau und in jeder Hinsicht unauffällig. Es wäre nicht gut, mit einem protzigen Modell herumzufahren und Aufmerksamkeit zu erregen. In ihrem Beruf blieb man am besten unbemerkt.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Nicht, dass Mia das überrascht hätte. Sie war die Strecke bereits einmal abgefahren, bevor sie sich mit dem alten Ehepaar geeinigt hatte. Bei normalem Verkehr und guten Straßenverhältnisse brauchte sie nur eine Viertelstunde zur Arbeit.
Micor Technologies befand sich außerhalb der Stadt, aber nicht in einem Industriegebiet, sondern mitten im Wald. Das kam ihr ein bisschen seltsam vor, aber vielleicht wurden dort Tests durchgeführt, die in dicht besiedelten Gebieten zu gefährlich waren. Was das Unternehmen produzierte, wusste sie nicht; für ihren Job war diese Information nicht von Belang.
Sie hielt am Tor vor dem Glashäuschen, in dem ein bewaffneter Wachmann saß. »Ihren Ausweis bitte«, sagte er und streckte die Hand aus.
»Es ist mein erster Tag. Ich soll mich bei der Personalverwaltung melden, um mir einen Mitarbeiterausweis ausstellen zu lassen.«
»Dann brauche ich Ihren Führerschein. Sie verstehen sicher, dass ich zuerst anrufen muss.«
Interessant. Bei ihrer Testfahrt zur Firma war sie nicht bis ans Tor gefahren, und das Bewerbungsgespräch hatte in einem Hotel stattgefunden. Bei ihren bisherigen Auftraggebern waren die Wachleute nicht so vorsichtig gewesen. Die Sicherheitsvorkehrungen bei Micor fielen auf.
»Kein Problem.« Mia gab ihm ihre Fahrerlaubnis, und der Mann rief an. Es dauerte fünf Minuten, bis er eine Bestätigung hatte.
»Sie fahren geradeaus weiter und stellen den Wagen auf dem Westparkplatz ab, dann gehen Sie durch den dortigen Eingang ins Haus. Der Gang führt direkt zur Personalverwaltung. Wenn Sie diese Anweisung nicht genau einhalten, könnten Sie Schwierigkeiten bekommen.« Mit einem schiefen Lächeln milderte er die Warnung etwas ab. »Und Sie wollen doch an Ihrem ersten Tag nicht zu spät kommen, oder?«
»Ganz bestimmt nicht. Vielen Dank.«
Mia fuhr die Auffahrt hinauf zu dem genannten Parkplatz. Sie sagte sich, dass es sie nichts anging, was es hier für Regelungen gab. Wie bei jedem anderen Auftrag würde sie den Schuldigen finden, die Beweise vorlegen und wieder gehen. Seit sie im vergangenen Jahr mit Kyra ein paar Wochen in Florida verbracht hatte,
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