Skinwalker 01. Feindesland
seltsam verdreht waren und die Knie für einen Primaten falsch ausgerichtet. Er war riesig. Größer, als er als Mensch je gewesen war, denn er besaß noch immer die zusätzliche Masse des unvollendeten Wandels. Eine Seite seines Gesichts war das eines Cherokee. Die andere das von Immanuel. Beide Hälften hatten lange Reißzähne in Ober- und Unterkiefer.
Ich stupste ihn mit dem Fuß an. Er atmete nicht. Am Hals zeigte sich kein Puls. In der zerrissenen Brust war kein Herz mehr, das hätte schlagen können. Der Leberfresser war tot.
Ich hatte einen Skinwalker ausgelöscht. Vielleicht den letzten außer mir.
Ich dachte, dass ich Trauer fühlen sollte. Schock. Bedauern? Aber für den Augenblick war alles, was ich fühlte, Beasts wilder Triumph. Große Katze getötet! Ich/wir zusammen! Beast siegt! , jubelte sie in mir.
Ich stand über dem Rogue, inmitten der Ruinen des Flurs von Leo Pellissiers Heim, starrte in sein Gesicht und bemerkte, dass an seinem Kopf nun lange, schwarze Haare waren, ganz ähnlich wie mein eigenes Haar, und dass seine Haut braun war, ein wenig dunkler als mein eigener goldener Hautton.
Beast sagte: Weg hier. Sofort . Fieberhaft überlegte ich, was in den nächsten Minuten, den nächsten Stunden zu tun war. Zuerst galt es, die Blutung zu stoppen. Dazu musste ich Druck auf meine Schulter bringen. Mit ungelenken Fingern öffnete ich eine Tasche in der Innenseite meiner Jacke und zog meinen Stauschlauch heraus. Ich brauchte einen Moment, bis ich mich wieder erinnerte, wie er angelegt wurde. Der Beweis, dass ich unter Schock stand. Mit den Zähnen und der unverletzten Hand zog ich die Schlaufe auf und legte sie um mein Schultergelenk, um sie dann eng zusammenzuziehen und mit dem Klettverschluss zu schließen. Als die Schlaufe kurz an meinem bloßliegenden Oberarmknochen hängen blieb, hätte ich vor Schmerz beinahe gewürgt.
Beast starrte auf das Blut, das an meiner Hand herablief und von meinen Fingern auf den Boden tropfte. Wandle dich .
»Ich kann nicht « , murmelte ich. »Nicht jetzt .« Sie knurrte mich an. Aber der Stauschlauch zeigte Wirkung: Das Blut tropfte schon langsamer von meinen Fingern. Ich warf einen Blick auf Antoine. Tot. Und ich hatte ihn getötet. Ich war zu benommen, um Trauer zu fühlen oder Scham oder irgendetwas anderes als die Ekstase der Überlebenden, wenn auch schon getrübt von Schmerz und Schock. Mir war dumpf bewusst, dass es mein Amulett war, das ihn getötet hatte, doch damit würde ich mich später befassen müssen.
Ich fand die Frau, auch sie war tot. Ihr Hals war in einem unmöglichen Winkel verdreht. Es war die Frau in dem langen Rock, die sich mit Anna und Rick getroffen hatte. Sie waren dem Rogue tatsächlich auf der Spur gewesen. Und nach allem, was ich gehört hatte, hatten sie Anna dazu benutzt.
Ich musste hier raus. Aber zuerst musste ich sicherstellen, dass ich bezahlt wurde. Ich brauchte Beweise, dass ich meinen Auftrag ausgeführt hatte. Also zerrte ich die Kamera heraus und machte ein Dutzend Fotos. Anschließend machte ich die gleichen Aufnahmen noch einmal mit dem Handy, auch wenn die weniger scharf waren. Dann mailte ich die Aufnahmen an meine Adresse und steckte Kamera und Handy wieder weg. Ich zog meine Messer aus der Leiche des Leberfressers und wischte sie an meiner Jeans ab. Ich humpelte an Antoine vorbei und die Treppe hinunter zu meinem Bike. Wenn Leo kam und begriff, dass ich gerade seinen Sohn getötet hatte – oder das, was sich als sein Sohn ausgegeben hatte – , wollte ich nicht mehr hier sein. Im Moment hatte ich nicht genug Kraft, um dem Blutmeister von New Orleans entgegenzutreten.
Ich schaffte es tatsächlich, Mischa mit einer Hand die Eingangsstufen hinunter bis in die Auffahrt zu schieben. Schaffte es, den Kickstarter zu treten. Es stand jetzt nur noch ein Auto in der Auffahrt. Leer. Ich fragte mich, wer hier wohl weggefahren war. Und warum.
26
Die unsanfte Gnade der Welt der Menschen
Ich schaffte es nach Hause, bevor ich verblutet war, packte ein paar Steaks und warf sie im Garten ins Gras. Dann zog ich mich aus und brach auf dem geborstenen Felsbrocken zusammen. Die scharfen Kanten der Steine bohrten sich in meine Haut. Ich musste mich wandeln, um von meinen Verletzungen zu heilen, hatte aber nicht die Zeit, es richtig zu machen, mithilfe der Fetisch-Kette. Also suchte ich Beasts verschlungene Form in meiner Erinnerung und presste.
Graues Licht und schwarze Flecken hüllten mich ein. Es war ein Schmerz, als würde
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