Skinwalker 01. Feindesland
ältere Mann war ebenfalls beeindruckt, auch wenn er versuchte, streng zu wirken. Als ich den Blick einer ungeduldigen Mutter auffing, scheuchte ich die Jungs fort und setzte den Helm auf. Dann winkte ich den noch verbliebenen Kirchgängern zu und fädelte mich in den Verkehr ein.
In dem Infomaterial, das meinem Vertrag beigelegen hatte, waren auch die Adressen von den Blutmeistern der verschiedenen Clans gewesen. Selbstverständlich nicht die ihrer Schlafplätze, ihrer Nester, sondern die offiziellen Anschriften, wo sie Besuch empfingen, wohin ihre Post gesendet wurde, ihre Steuererstattung und ihre Rechnungen. Bei der Vorstellung, wie ein Vamp die Post vom Finanzamt oder eine Visa-Abrechnung öffnet, musste ich grinsen.
Ich hatte mir vorgenommen, so viele wie möglich abzuklappern. In Beast-Gedanken hieß das ihren Bau aufspüren . Vier Blutmeister wohnten imGarden District – Mearkanis, Arceneau, Rousseau und Desmarais – , die anderen weiter draußen. Zu Leo war es am weitesten, und die Sitze der St. Martins, der Laurents und der Bouviers lagen auf dem Weg dorthin. Ich wunderte mich über den Sankt-Zusatz der Martins, aber was wusste ich schon über zivilisierte Vampire? Bisher so gut wie nichts. Hier erfuhr ich Dinge, die ich noch vor einem Monat niemals geglaubt hätte. Zivilisierte Vampire hatten mit Rogues kaum etwas gemein.
Ich fuhr die St. Charles Avenue herunter und über die Third Street in den Garden District. Dort brummte ich die Straßen entlang und machte die Adressen ausfindig. Bei jeder einzelnen stellte ich die Maschine ab, ging zu Fuß ums Haus und suchte nach der Witterung des Rogue, wobei ich mir Mühe gab, nicht zu sehr aufzufallen.
Die Sicherheitsleute der Vamps waren auf Zack. Ich fuhr am dritten Haus auf meiner Liste vorbei, dem Sitz des Blutmeisters vom Arceneau-Clan, und sah mich nach einer Stelle um, wo ich mein Bike abstellen konnte, als ein Wachmann nach draußen trat. Er war schlank, hatte schmale Hüften, breite Schultern und machte keinen Versuch, die riesige Kanone zu verbergen, die in einem Achselholster steckte. Er trug Khakihosen, ein rotes T-Shirt und eine von diesen eng am Kopf liegenden Sonnenbrillen, die im Schatten ziemlich dumm aussah. Seine Körperhaltung hatte etwas Hartes, Militärisches.
Was soll’s, dachte ich und beschloss zu prüfen, wie weit ich gehen konnte. Ich lenkte Mischa durch das geöffnete Tor – über vier Meter hohes schwarzes Schmiedeeisen mit Lilien und Pflockspitzen – und bremste genau vor der hinteren Stoßstange eines schwarzen Lexus, der in der engen Einfahrt parkte. Dann stellte ich den Motor ab. Klappte den Ständer aus und zog den Helm vom Kopf. Der Wachmann auf der Veranda ließ mich nicht aus den Augen, die Hände locker am Körper, bereit, bei Bedarf die große, hässliche Kanone zu ziehen.
Beast spürte die Gefahr und erwachte. Sie sendete: Pistole im Holster wie eingefahrene Krallen . Kein Gegner für uns. Und: Noch einer an der Tür. Ich hörte leise Schritte und wusste, dass ein zweiter Mann außer Sicht hinter der Tür stand. Falls es nur zwei Wachleute gab, war der Rest des Hauses nun ungeschützt.
Ich lächelte den mit der Kanone an und prüfte die Gerüche des Gartens. Kunstdünger, Spuren von einem kleinen Kläffer und Urin und Kot einer Hauskatze, Unkrautvernichter, getrockneter Kuhdung, Abgase, Gummireifen, Regen und Öl auf den Straßen. Kanone lächelte nicht zurück, beschloss aber anscheinend, dass ich harmlos war, denn er stemmte die Hände in die Hüften. »Haben Sie sich verfahren ?« , fragte er. Es klang beinahe freundlich. Aber wahrscheinlich lässt es sich gut freundlich sein, wenn man so eine Kanone unter dem Arm trägt.
»Nö. Ich suche den Sitz des Arceneau-Clans .«
Blitzschnell zog er seine Waffe. Offenbar hatte er Vampblut getrunken. Beast spannte sich an. Ich starrte in den Lauf der Kanone. »Ich bin Jane Yellowrock, die Killerin, die der Rat bezahlt, um den Rogue aufzuspüren. Hätten Sie wohl ein Minütchen für mich ?«
»Das kommt drauf an. Können Sie sich ausweisen ?« Als ich nickte, sagte er: »Schön langsam. Zwei Finger. Machen Sie Ihre Jacke auf. Wenn ich zufrieden bin, können Sie ihre Jacke fallen lassen und sich einmal drehen. Dann dürfen Sie ihren Ausweis herausholen .«
Mit zwei Fingern zog ich den Reißverschluss meiner Jacke auf und öffnete erst eine Seite, dann die andere, um ihm zu zeigen, dass ich kein Holster darunter trug. Als er nickte, ließ ich die Jacke von den Schultern
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