Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
Treppe führte zum Ufer des Gewässers hinab. Während der Schwarzmagier die schmalen Stufen hinunter eilte, als bestünde keine Gefahr, in den tiefen Abgrund zu stürzen, tasteten sich Janus und Irian vorsichtig an der Wand entlang, während sie immer wieder Ausschau nach Hazaar hielten. Behutsam nahmen sie Stufe für Stufe, bis sie Zarfan endlich einholten, der schon ungeduldig auf seine Gefangenen wartete. Zwei Schritte vor ihm lösten sich kleine Wellen aus wachsenden konzentrischen Kreisen, die der Wasseroberfläche ein interessantes Relief verliehen und plätschernd an Irians Füße schwappten. Janus formte seine Hände zu einem Trichter und rief so laut er konnte: „Wo bist du?“
„Hier!“, keuchte die Stimme des Zauberers angestrengt. Plätschernd erhob sich der Magier aus dem kalten Nass und trat hinter einem Felsen hervor. Hazaar hatte im Wasser seinen Umhang verloren und stand nun in spärlicher Bekleidung triefend vor ihnen. Ungehalten packte er mit beiden Händen seine klatschnassen Zöpfe, um sie auszuwringen.
„Unsere Reise nimmt ungeahnte Wendungen“, stellte er nüchtern fest.
„Das kann man wohl behaupten“, stimmte Irian finster zu. „Könntet Ihr ihm wenigstens etwas Trockenes zum Anziehen besorgen?“, wandte er sich an den Schwarzmagier.
„Ich kann alles, wenn ich will“, lautete die lakonische Antwort. Lässig streckte er seine Hand aus, um gleich darauf einen schäbigen grauen Mantel darin zu halten.
„Hier!“ Gönnerhaft warf er Hazaar das Kleidungsstück zu. Umständlich streifte der sich das Gewand über, während Zarfan bereits wieder zur Eile mahnte.
Kurze Zeit später erreichte die Gruppe eine hohe Felswand. Ein Durchbruch im Felsen bildete eine Art Eingang zu einer geräumigen Halle.
„Tretet ein!“, lud Zarfan seine Besucher spöttisch ein und winkte sie in das Herzstück des Berges.
„Öffne dich, Felsen!“, beschwor Gwendol eindringlich die steinerne Wand, in der Erwartung, dass sie sich im nächsten Moment tatsächlich teilen würde, um ihm Zugang zur Freiheit zu gewähren. Nichts passierte. Er musste sich mehr anstrengen. Fest kniff Gwendol seine Augen zu und konzentrierte sich noch stärker.
„Nun öffne dich endlich“, zischte er ungeduldig, worauf sich einige Steinchen lösten und von der Wand abbröckelten.
Seit Tagen versuchte Gwendol, seinem Schicksal zu entrinnen, doch je öfter er Zeit damit verbrachte, erfolglos auf die Wand einzureden, desto mehr erkannte der Knabe, dass seine Appelle an die Mächte der Magie wirkungslos verpufften.
Verzweifelt schlug er gegen sein steinernes Gefängnis, um sich gleich darauf die schmerzende Hand zu halten. Seine dürftigen magischen Fähigkeiten halfen ihm nicht weiter. Gerne hätte Gwendol ein wenig geweint, doch er wollte nicht, dass jemand bemerkte, wie hilflos er sich fühlte. Nur während der Nächte, wenn die anderen schliefen, füllten sich seine Augen regelmäßig mit Tränen. Er wünschte sich dann sogar in sein Heimatdorf zu der strengen Großmutter zurück, denn die ungeliebten Aufgaben, die sie ihm stets aufgetragen hatte, erschienen ihm nun im Gegensatz zu der harten Arbeit im Stollen fast wie ein Kinderspiel.
Auch daheim hatte er nachts oft geweint, doch dort konnte er wenigstens sein Gesicht in das weiche Kissen drücken, um das Schluchzen zu dämpfen. Hier verfügte der Junge über keinen solchen Luxus. Lediglich ein Haufen alter Blätter, vom letzten Herbst übrig geblieben, sorgten dafür, dass er nicht auf dem blanken Boden schlafen musste.
Um nicht aufzufallen, schlug Gwendol seine Hacke wieder in den Fels, um damit rot funkelnde Rubine herauszubrechen, die er in den Eimer neben sich legte. Die Steine übergab er am Abend an die Schwarzmagier, die sich stets gierig auf die wertvolle Ausbeute stürzten.
Das Hämmern der Werkzeuge erfüllte den Stollen und hallte hohl von den Felsen wider, so laut, dass Gwendol beinahe nicht bemerkt hätte, wie sich die gegenüberliegende Wand teilte und ein Schwarzmagier eintrat. Erst als das Klopfen nach und nach verstummte, blickte Gwendol auf. Voller Abscheu registrierte er Zarfan, der die Sklaven stets behandelte, als seien sie dumme, willenlose Kreaturen. Mit Freude suchte er sich oft wahllos einzelne Arbeiter aus, um sie vor allen anderen bloßzustellen und zu demütigen. Doch diesmal wirkte er, als sei er bester Laune.
In seiner Begleitung befanden sich drei Männer, die nicht den Eindruck erweckten, als besuchten sie freiwillig
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