Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
zurechtweisen konnten, wandten sich die Männer ihrer Arbeit zu.
Nathael flüsterte aufgeregt: „Wie hast du mich bloß gefunden?“
„Das ist eine lange Geschichte, Vater. Ich dachte, du wärst tot“, antwortete Janus mit zitternder Stimme.
Seine Emotionen mühsam unterdrückend, warnte Nathael seinen Sohn: „Wir sprechen später darüber, denn jetzt müssen wir an die Arbeit, sonst werden sie uns bestrafen.“
Janus bemerkte die Furcht in seiner Stimme. Die Schwarzmagier hatten seinen Vater, der einst so stolz ihren Acker bestellt und so vehement seine Kinder vor missgünstigen Dorfbewohnern verteidigt hatte, in einen verängstigten, gebrochenen Mann verwandelt. Wenn der Drache ihn sofort nach seiner Entführung hierher gebracht hatte, musste er bereits seit fünf Jahren an diesem Ort Frondienst verrichten.
Es fiel ihm schwer, doch schließlich reichte Nathael schweigend die spitze Hacke an seinen Sohn weiter, der das Werkzeug grimmig entgegennahm.
„Ich hole dich hier raus! Du kannst dich auf mich und meine Freunde verlassen“, versprach Janus und stieß die Hacke mit voller Wucht gegen den Stein, sodass kleine Felssplitter seitlich davon stoben.
Während der Nacht lag Hazaar wach und grübelte. Es war eine Katastrophe. Ohne seinen Umhang verfügte er lediglich über Bruchteile seines Wissens. Der Mantel gab ihm stets ein Gefühl der Sicherheit, denn mit den Jahren konnte der Magier die Zaubersprüche der zweihundertsiebenundfünfzig Bücher, die er auf Regalwänden in seinem Schloss aufbewahrte, nicht mehr vollständig behalten. Früher, in jungen Jahren, hatte er das Gewand, das sich seit Generationen im Familienbesitz befand, verächtlich in einen Kellerschrank gelegt, in der Absicht, es nie wieder hervorzuholen.
Es verletzte seine Ehre, ein solches Hilfsmittel zu benutzen, denn der Zauberer vertrat stolz die Ansicht, ein mächtiger Magier solle alle ihm zur Verfügung stehenden Formeln bei Bedarf sofort parat haben. Doch die fortschreitende Zeit hatte ihn eines Besseren belehrt, sodass er irgendwann Zähne knirschend die Stufen zum Schlosskeller hinab gestiegen war, um seinem Gedächtnis mit dem magischen Kleidungsstück wieder auf die Sprünge zu helfen. Die wenigen Vertrauten, die das kleine Geheimnis ihres Meisters kannten, registrierten den wollenen Umhang, in den sich ihr Meister neuerdings hüllte, kommentarlos, wenn auch Hazaar ein hämisches Grinsen in ihren Gesichtern zu erkennen glaubte, das Genugtuung darüber ausdrückte, dass auch die mächtigsten Zauberer von den Querelen des Alterns nicht verschont blieben. Seitdem legte er den Mantel nur noch selten ab, denn schon bald fühlte der Magier sich ohne ihn wehrlos ausgeliefert.
Beim unfreiwilligen Sprung in den See hatte sich das Gewand in die fein verzweigte Ästelung einer Pflanze verfangen, die unter der Wasseroberfläche wuchs. Hazaar vermutete, dass es sich dabei um Drachenkraut handelte. Als sei es mit kleinen Widerhaken ausgestattet, hatte das Gewächs das Kleidungsstück unerbittlich festgehalten, so sehr Hazaar auch daran zog und rüttelte. Es war ihm nicht gelungen, den kostbaren Mantel aus den Fängen der Pflanze zu befreien.
Der Drang, endlich wieder zu atmen, hatte ihn bald wieder nach oben getrieben. Er musste den Umhang zurück lassen und schnell zur Wasseroberfläche schwimmen.
Als Hazaar erneut hinab getaucht war, bemerkte er erst die völlige Finsternis, die unter Wasser herrschte. Er hatte schnell die Orientierung verloren und im Dunkeln erfolglos nach den Zweigen des Drachenkrautes getastet. Ein passender Zauberspruch, der für Helligkeit gesorgt hätte, wollte ihm nicht mehr einfallen. Atemnot und Erschöpfung ließen ihn schnell aufgeben, sodass er schließlich wieder aufgetaucht war, um mit letzter Kraft ans Ufer zu schwimmen.
Hazaar betrachtete besorgt die schlafenden Männer. Wie sollte ohne den Mantel der Plan, die Schwarzmagier zu entmachten, nur gelingen? Er traute sich zwar durchaus noch zu, den richtigen Zauber dafür zu wählen, aber für dessen reibungslose Ausführung konnte er nicht mehr garantieren. Zu kompliziert gestalteten sich die zahlreichen, bis zu zwei Buchseiten langen Formeln, die sein altersschwaches Gedächtnis jetzt wohl nur noch bruchstückhaft wiedergeben konnte. Trotzdem musste er es versuchen. Der Zauberer blickte auf das Gesicht des schlafenden Gwendol. Dem ungestümen Knaben, dem es zu sehr an Reife mangelte, als dass er sich zum Zauberschüler eignete, stand
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