Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
Schenke am Ort, wie sie stolz behauptete, ganz als sei es ihr Verdienst, dass die Stadt eine solche Lokalität aufweisen konnte. Schon wegen des Namens entschied sich Rabanus sogleich, hier Quartier zu beziehen. Gewiss behandelte man dort einen Drachentöter mit dem ihm zustehenden Respekt.
Zuvor jedoch suchte er den hiesigen Marktplatz auf, um die Drachenzähne in bare Münze zu verwandeln. Rabanus musste nicht lange suchen, bis er einen Händler fand, der ihm nach heftigem Feilschen schließlich einen recht passablen Preis für die Gebissteile zahlte.
Wenig später betrat er gut gelaunt die Schenke, wo er sogleich eine geräumige Kammer bezog.
Zu seinem Missfallen begegneten Rabanus am Abend in der Wirtsstube seine früheren Reisegefährten. Die Unterhaltung mit ihnen beschränkte sich auf wenige Sätze. Einzig Janus prostete ihm fröhlich zu und klopfte freundschaftlich auf seine Schulter, bevor er sich wieder dem schönen Mädchen an seiner Seite zuwandte.
Wie Rabanus bald feststellen musste, stießen seine Heldengeschichten bei den anderen Gästen nur auf mäßiges Interesse. Zu viele andere Attraktionen beanspruchten ihre Aufmerksamkeit, sodass die Erzählung von seinen rühmlichen Taten bereits nach kurzer Zeit in einem rhythmischen Schunkellied unterging. Gekränkt kehrte er zu seinem Tisch zurück und nippte missmutig an einem Humpen, während manche der Gäste auf die Bänke stiegen und die eingängigen Trinklieder mitgrölten.
Agata blickte schweigend und beinahe ein wenig ehrfürchtig in das Gesicht eines rotgesichtigen Mannes, der ihr gegenüber saß und ihren Blick intensiv erwiderte. Nach einer Weile fasste er schließlich unter dem Tisch mit fleischigen Fingern nach ihrer Hand. Agata strahlte.
Derweil versuchte Rabanus, ein blond gelocktes Mädchen zum Tanz aufzufordern, doch als er vor ihr stand, trat ein grimmig dreinblickender Jüngling hervor, umschlang Besitz ergreifend ihre Taille und legte ihm nahe, sich schnell zu entfernen. Bei einer anderen hatte Rabanus zwar mehr Erfolg, doch als er sie nach dem Reigen nicht gleich wieder losließ, stieß sie ihn weg und verschwand schnell wieder in der Menge. Ähnliches widerfuhr ihm mehrere Male, bis er zu späterer Stunde schließlich aufgab und verärgert das Lokal verließ, um sich in sein Gemach zu begeben.
In dieser Nacht fand Rabanus keine Ruhe. Er wälzte sich umher, verfluchte die Schenke und deren ignorante Gäste. Seine Wut übertrug sich schließlich auf die Kameraden, die statt Drachen zu jagen, nun sogar eine Art Freundschaft mit einem solchen Wesen pflegten. Er empfand tiefe Abscheu. Wie konnten sie nur ein derart abstoßendes Geschöpf zu ihrem Reisegefährten erküren? Für die einstigen Gefährten blieb Rabanus nur noch Verachtung übrig. Von frenetischen Drachenjägern hatten sie sich in ein paar weibische Memmen verwandelt, die sich vor Ramin benahmen, als stünde ihnen nicht ein furchtbares Monster, sondern ein Vertrauter gegenüber. Doch Rabanus wollte seiner Linie treu bleiben. Mehr denn je dürstete ihn danach, die Bestien zu erlegen.
Der Morgen graute bereits, als er schließlich aufstand, um sich anzukleiden. Noch vor Sonnenaufgang verließ er die Schenke und nahm sein am Stadttor in Verwahrung liegendes Schwert in Empfang, begleitet von den misstrauischen Blicken der Wachen, die ihm seine Ausrede, er begäbe sich lediglich auf Wildschweinjagd, nicht recht abnahmen.
Nach kurzem Marsch erreichte er den Waldrand. Siegesgewiss schritt Rabanus über das taufeuchte Moos und blieb von Zeit zu Zeit stehen, um zu horchen, doch einzig emsiges Vogelgezwitscher durchbrach die Stille. Nichts deutete darauf hin, dass sich der Drache in der Nähe befand. Bald fielen Sonnenstrahlen durch die Äste der Buchen, die zwar ein wenig Licht, jedoch kaum Wärme spendeten. Jeder noch so schwache Windhauch ließ braun verfärbte Blätter von den Bäumen segeln, die zu Rabanus’ Ärger unter seinen Schritten verdächtig knisterten.
Von Janus hatte er erfahren, dass sich der Drache in den Wäldern rund um die Stadt aufhielt und darauf wartete, dass seine menschlichen Freunde von ihrem Ausflug nach Umiena zurück kehrten. Rabanus schnaubte verächtlich. Täuschte er vor, eine Nachricht von Skiria zu überbringen, so würde der Drache gewiss keinerlei Argwohn hegen. Dann wollte er einen günstigen Augenblick abwarten und mit einem gezielten Schwerthieb seinen Schuppenpanzer durchstoßen. Euphorisch stellte sich Rabanus bereits eine
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