Sklaven des Himmels
Bewußtsein.
9.
Berry erwachte in einer Kammer, die geräumiger war und mehr Bequemlichkeit bot als seine vorherige. Sie enthielt ein Lager, das breit genug für zwei Personen war, und viele Dinge, mit denen er nichts anzufangen wußte. In einer der Wände sah er ein großes, mit einer kristallartigen Substanz ausgefülltes Loch, durch das helles Tageslicht fiel. Außerdem befand sich eine Frau in der Kammer. Sie hatte weißes Haar, aber ein junges Gesicht. Obgleich sie fremdartige Kleidung trug, kam sie doch bestimmt von einem Stamm – den Manches, wahrscheinlich, denn die Manches waren für ihre helle, weiche Haut bekannt.
»Ich heiße Tala«, sagte sie in der Sprache der Stämme. »Du hast eine lange Zeit geschlafen. Ich bemühte mich, leise zu sein, damit du nicht vorzeitig erwachst.«
Berry stützte sich auf einen Ellbogen. Sein Blick fiel auf die Wade, die verwundet gewesen war. Von der Verletzung war nichts mehr zu sehen, es hatte sich auch keine Narbe gebildet.
»Tala, ich bin Berry, Häuptling der Londos.« Er verzog das Gesicht. »Das heißt, ich war Häuptling der Londos.«
»Ihr konntet also auch nichts gegen die Nachtgänger ausrichten, als sie eure Frauen holen kamen«, murmelte sie bitter.
»Wer kann das schon«, erwiderte Berry.
Plötzlich begann Tala zu weinen. »Ich habe drei Babys geboren«, schluchzte sie. »Meine Zeit ist kurz, und ich habe solche Angst.«
Berry blickte sie erstaunt an. »Ruhig, Frau«, murmelte er sanft. »Weinen macht alles nur noch schlimmer. Ich verstehe nicht, weshalb du überhaupt weinst. Viele Frauen gebären drei Kinder – und mehr. Dafür sind Frauen da.«
»Es waren nicht meine Babys.« Tala schluchzte noch herzzerreißender. »Noch waren sie von Erdenmännern gezeugt. Niemand hat mit mir gelegen und doch mußte ich dreimal gebären.« Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht. »Verzeih mir, Berry. Ich wollte dir nichts vorheulen. Schließlich hat man mich hierhergeschickt, um dich zu unterrichten, und nicht, um dein Herz noch schwerer zu machen.«
Berry kratzte sich am Kopf. »Wenn kein Mann mit dir gelegen hat, wie kamst du dann zu Kindern?«
»Die Lords des Himmels taten sie in meinen Bauch, während ich schlief. Das ist die reine Wahrheit. Sie liegen nicht mit Dreckfrauen, oder zumindest nur ganz selten. Sie haben seltsame Instrumente und viel Zauber, damit pflanzen sie den Samen eines Kindes in den Schoß einer Frau, ohne daß sie es weiß. So war es jedenfalls bei mir. Ich habe drei Söhnen das Leben gegeben. Und wenn eine Frau dreimal geboren hat, betrachten die Herren des Himmels sie als verbraucht. Man holt sie aus dem Frauenhaus und danach wird sie nie wieder gesehen. Manche sagen, solche Frauen werden zur Dreckwelt zurückgebracht, aber andere behaupten, man tötet sie, damit die Herren des Himmels ihre Körper verwerten können. Darum habe ich Angst.«
Berrys Kopf brummte. »Was ist Dreckwelt?« fragte er. »Und was sollen diese Wörter wie Dreckfrau und Dreckmann? Der Häuptling dieses Ortes nannte mich einen Dreckwilden. Ich weiß nur, daß es eine Beleidigung war, aber ich verstehe die Bedeutung nicht.«
Tala versuchte zu lächeln. »Berry, du mußt noch viel lernen. Die Lords des Himmels nennen die Welt, in der wir lebten, ehe die Nachtgänger uns holten, Dreckwelt, während wir von den Stämmen sie als Erde kennen. Sie sehen zwar so aus wie wir, aber sie sind ein sehr seltsames und mächtiges Volk. Wir Dreckweltmenschen haben keine Chance gegen sie. Deshalb müssen wir uns ihnen unterwerfen und alles über uns ergehen lassen.«
»Das muß sich ändern«, sagte Berry mit mehr Selbstvertrauen, als er empfand. »Sag mir, Frau, wo ist dieser Himmel? Wenn es mir gelingt zu fliehen, wie lange muß ich marschieren, um zu meinem Stamm zu kommen?«
Tala lächelte ihn mitleidig an. »Du wirst nie mehr zu deinen Leuten zurückmarschieren, Berry. Es gibt kein Entkommen. Himmel VII ist eine Insel an jenem Ort, den wir Himmel nennen, hoch über der Erde.«
»Eine Insel am Himmel?« Berry war überzeugt, daß sie log, auch wenn sie nicht so aussah. »Tala, schon so oft habe ich zum Himmel hinaufgeschaut, bei Tag und bei Nacht, doch eine Insel habe ich nie gesehen, nur die Sonne, den Mond und die Sterne. Wie könnte das also sein?«
»Ich lüge nicht. Himmel VII ist so weit von der Dreckwelt entfernt, daß er nicht wie eine Insel aussieht. Aber vielleicht hast du sie doch gesehen und nur nicht gewußt ... Hast du den Wanderer
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