Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'
blickte
die Treppe hinunter in die Eingangsdiele.
Sein Stiefvater stand dort.
Ludwig Bernholt war ein rotgesichtiger,
stiernackiger Mann von 52 Jahren. Selbst in den Maßanzügen wirkte er plump.
Doch das war nicht immer so gewesen.
Als Andys Mutter ihn in zweiter Ehe
heiratete, hatte er 55 Pfund weniger mit sich herumgetragen — und die
Schattenseiten seines Charakters erfolgreich verborgen.
„Komm runter!“ brüllte Bernholt.
Andy gehorchte.
Als er vor seinem Stiefvater stand,
glitzerten dessen Augen hinter der randlosen Brille.
„Aus meinem Schreibtisch, Bürschchen,
fehlen 500 Mark.“
Andy blickte verdutzt. „Du glaubst doch
nicht, ich hätte die.“
„Aus meinem Schreibtisch fehlen 500
Mark!“
„Das habe ich verstanden. Aber...“
„Du verdammtes Miststück!“ brüllte
Bernholt. „Niemand außer dir kann sie genommen haben. Niemand! Aber ich sage
dir: Wenn ich dich einmal erwische, landest du in der Erziehungsanstalt. Sowas
wie du gehört... Am besten, dich gäbe es nicht!“
Verächtlich sah Andy ihn an. „Ich weiß,
daß du dich dann freuen würdest. Es beruht auf Gegenseitigkeit. Einen wie dich
kann man doch nur verachten. Glaubst du, ich weiß nicht, was mit deiner Firma los
ist? Du importierst ( einführen ) Felle. Felle von Tieren, die in Asien,
Afrika, Süd- und Nordamerika und auch in Kanada abgeschossen werden. Felle für
die Pelz-Industrie. Alles ganz legal ( gesetzmäßig ). Jaja! Aber es sind
auch Felle von geschützten Tieren dabei. Von Tieren, die gewildert werden. Ein
hübscher Nebenverdienst. Pfui...“
Weiter kam er nicht.
Bernholts Ohrfeige riß ihm fast den
Kopf ab.
Andy flog gegen das Treppengeländer.
„Mach, daß du auf dein Zimmer kommst!“
brüllte Bernholt. „Jetzt weiß ich wenigstens, was in deinem Dumm-Schädel
vorgeht. Mich sollst du noch kennenlernen!“
Benommen schleppte sich der Junge die
Treppe hinauf.
Aus! dachte er. Aus! Jetzt reicht’s
mir. Das war zuviel. Das Faß läuft über.
*
Klößchen begann mit den Zähnen zu
klappern. Tim fror nicht. Die beiden dünnen Mäntel wärmten mehr als ein dicker.
Außerdem ist der TKKG-Häuptling abgehärtet rund ums Jahr. Da müssen die
Minus-Grade schon zweistellig sein, ehe ihn eine Gänsehaut befällt.
Die beiden Freunde stiegen die Treppe
zum Kai hinunter. Tims Gedanken waren noch bei dem Boxer-Welpen Ben, bei Katharina
von Hippe und ihrem Scheich Olaf Präht.
„Fünf Mark“, sagte Klößchen. „Was
machen wir damit?“
„Wir heben sie auf fürs Frühstück.“
„Und was — um Himmels willen — wird aus
dem Abendessen?“
„Fällt aus.“
„Tim, das kannst du nicht machen!“
„Was bleibt uns denn übrig? In eine
Kneipe läßt man uns nicht rein. Außerdem — was kriegst du dort für fünf Mark?
Imbiß-Buden gibt’s hier in der Nähe nicht. Und die Geschäfte, wo wir ein
schönes duftendes Holzofenbrot kaufen könnten, haben geschlossen.“
„Mein Gott! Wie halte ich das... Du!
Mir fällt ein, wir könnten die Papierkörbe absuchen. So mancher
Wohlstandsbürger wirft ein halbes Butterbrot weg. Oder ein Stück Brathähnchen.
Oder...“
„Willi!“ Tim packte ihn am Arm. „Du
willst dich doch nicht im Ernst so erniedrigen. Du bist kein Penner. Du spielst
ihn nur.“
„Erklär das meinem Magen.“
„Pst!“
Sie hatten das Ende der Treppe
erreicht.
Hier mußten sich die Augen wieder an
die Dunkelheit gewöhnen.
Vom Baubuden-Duo und dem Schrumpfkopf
Theo Weber war nichts zu sehen.
Aber unter der Brücke polterten die
Kisten, die Würgegriff-Paulas Nachtquartier abgrenzten.
„Seid ihr schon wieder da?“ dröhnte
ihre Stimme aus der Dunkelheit.
„Immer noch“, lachte Tim. Er schlurfte
einige Schritte in Richtung Brücke. „Mal eine Frage, Paula: Was ist ein
Abstierer?“
„Weißt du das nicht?“
Offenbar war sie aufgestanden. Ihre
Stimme kam nicht mehr vom Boden her, sondern aus gut bemessener Kopfhöhe.
Blöde Frage, dachte Tim. Weshalb
erkundige ich mich wohl?
„Wir sind ja noch jung und begierig zu lernen.“
„Ein Abstierer ist ein ganz mieser Typ,
nämlich einer, der Besoffene bestiehlt. Auch die eigenen Kumpels.“
„Charakterlos“, sagte Klößchen und zog
sich die Fliegerkappe tief ins Gesicht.
„Habt ihr ein Nachtquartier gefunden?“
erkundigte sich Paula und kam näher. Sie war fast so groß wie Tim.
„Die Baubude dort hinten. Wir mußten
sie schon verteidigen gegen Friedhelm und Achim.“ Tim lachte. „Friedhelm
brauchte ziemlich
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