Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'
niemand geläufig. Doch die Gesichter, die Gesichter... Wo waren ihm die
schon begegnet?
Als Plegel seinen Mantel abgab, stand
Tim hinter ihm.
Wenn der jetzt das Fläschchen
rausnimmt, beschloß der TKKG-Häuptling, greife ich zu. Dann hat er’s die
längste Zeit gehabt.
Doch — o Wunder! — der Fratzenschneider
händigte dem Garderobenfräulein schwungvoll seinen Mantel aus, ohne den
verdächtigen Gegenstand aus der Außentasche zu holen.
„Geben Sie gut auf ihn acht“, kläffte
Plegel mit schriller Stimme. „Ist mein bestes Stück, hahahah.“ Er fummelte in
der Hosentasche. „Was kriegen Sie?“
„Nach Belieben“, erwiderte das
Garderobenfräulein.
Für einen Moment schien es, als wollte
Plegel es dabei belassen. Dann machte er aber doch eine halbe Mark locker und
überreichte sie feierlich.
Tim stand jetzt neben ihm und konnte
sehen, wie Plegels Hängenase zuckte. Beinahe hätte er sie aufgerollt wie ein
Elefant seinen Rüssel.
„Vielleicht brauche ich nachher was aus
meinem Mantel“, sagte Plegel und steckte die Garderobenmarke in die äußere
Brusttasche, wo ein weißes Kavalierstaschentuch über den Rand blinzelte.
Aha! Tim tauschte Blicke mit seinen
Freunden, die ihre Mäntel schon über dem Arm trugen.
Plegel trollte sich, wobei er die
Einladungskarte hervorholte.
Die TKKG-Bande gab die Mäntel ab und
insgesamt vier Mark Trinkgeld.
„Keine unmittelbare Gefahr“, sagte Karl
und polierte die Brillengläser. „Falls überhaupt. Vielleicht enthält das Fläschchen
Parfüm. Oder Schnaps.“
„Vielleicht die gesammelten Tränen
seiner Hausratte“, sagte Tim, „die immer heult, wenn der Speck ranzig ist.
Freunde! Er will nochmal ran an seinen Mantel nachher. Mehr brauche ich nicht
zu wissen. Dort steht er noch, der Plegel. Willi, du rempelst ihn an. Auf der
rechten Seite. Unbedingt auf der rechten. Und entschuldigst dich. Klar?“
„Eigentlich habe ich nichts gegen ihn“,
grinste Klößchen. „Aber wenn du meinst. Willst du ihm die Garderobenmarke
klauen?“
„Exakt. Und zwar sofort. Wenn wir
erstmal im Festsaal sind, können wir uns nicht benehmen wie die Sau.“
Gaby verdrehte die Augen und pustete
gegen ihren Pony. Sie trug große weiße Ohrringe und sah zum Anbeißen aus.
Karl, dem die Aufregung auf die
Pupillen schlug, putzte zum zweiten Mal die Brillengläser.
Plegel stand vor der weit geöffneten,
doppelflügeligen Tür des Ausstellungssaals, der heute Festsaal war. Die
Geladenen fluteten hinein. Dort war alles ausgeleuchtet, als werde ein
Bundeskanzler zum Kaiser gekrönt. Festlich gekleidete Menschen waren entzückt,
nur auf Bekannte zu stoßen. Mit dem Gesumm der Stimmen hätte man hundert
Bienenkörbe füllen können. Nur ganz selten lachte irgendwer grell und zu laut.
Es gab eine Sekt-Bar. Auf der Rückseite der Einladungen war vermerkt, daß die
Getränke-Firma Schluckmähr & Heydenanxt das Prickelwasser gestiftet
habe. Der Oberbürgermeister und sein Stellvertreter waren da — viele Stadträte,
der Kulturreferent, einige Maler — die Humpert van Strichl den Erfolg neideten -,
die Presse und eben die Geladenen.
„Jetzt, Willi“, sagte Tim.
Von rechts hinten walzte Klößchen auf
Plegel los.
Tim hielt Gleichschritt und näherte
sich von links hinten.
Für einen ahnungslosen Beobachter mußte
es aussehen, als wollten sie Plegel zwischen sich zermalmen.
Der las seine Einladungskarte zum xten
Mal, konnte es offenbar nicht fassen, daß man ihn zu diesem bedeutenden Anlaß
gebeten hatte.
...rrruuummms...
Klößchen rempelte den Fratzenschneider,
als müsse er einen Kleinwagen umkippen.
Plegel taumelte nach links und wäre
gestürzt, hätte nicht Tim dort bereitgestanden. Und wie hilfreich der
TKKG-Häuptling zugriff! Plegel wurde am Oberarm gepackt und an der Schulter.
Hochgerissen wurde er, daß er fast die Schuhe verlor. Sein Kavalierstuch
flatterte. Aber Tim stopfte es mit derselben Bewegung, mit der er die
Garderobenmarke an sich brachte, in die Brusttasche zurück.
„Oh!“ rief Klößchen und rieb sich die
Schulter. „Verzeihung, mein Herr. Ich bin gestolpert. Teuflisch glatt hier der
Boden. Tut mir leid.“
Tim ließ Plegel los und sagte: „Ist ja
nichts passiert.“
Plegels Gesicht schien auseinander zu
fallen. Die Augen rollten, der Mund zuckte, Schüttelfrost überkam die ganze
Gestalt.
Klößchen bückte sich und hob Plegels
Einladungskarte auf. „Es hat doch nicht weh getan?“ Er gab ihm die Karte.
„Doch“, kläffte Plegel.
Weitere Kostenlose Bücher