Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'
„Sehr. Ich bin
rechts auf den Rippen besonders empfindlich. Paß besser auf, du Tolpatsch.“
„Da haben Sie recht“, grinste Tim.
„Mein Freund ist zwar der beste Kunstkenner hier in der Stadt, aber wahnsinnig
unbeholfen. Erst kürzlich hat er beinahe ein ganzes Zirkuszelt eingerissen. Und
beim Volkstanz machen die Mädchen einen Bogen um ihn — sonst kriegen sie
blutige Zehen.“
„Ph!“ Plegel schnaubte, rollte kurz mit
den Augen und stelzte in den Festsaal.
Ein städtischer Angestellter in
städtischer Uniform kontrollierte den Eintritt, ließ sich die Karten zeigen —
damit kein Unbefugter Gratis-Sekt schnorrte.
Plegel rannte den Mann fast über den
Haufen, und wieder fingen die Rippen rechts den Zusammenstoß ab.
„Na, also“, grinste Tim.
Er öffnete die Faust und zeigte seinen
Freunden die Garderobenmarke.
„Du ausgebuffter Taschendieb“, lachte
Karl. „Ich habe genau aufgepaßt. Aber bemerkt habe ich nichts.“
Der Festsaal füllte sich. Das Foyer war
fast leer.
Die TKKG-Bande marschierte zur
Garderobe zurück.
Dem Garderobenfräulein, das Plegels
Mantel weggehängt hatte, legte Tim die Marke vor.
„Mein Vetter vierten Grades hat seine
diurnalen Nematoden-Tropfen im Mantel vergessen. Könnten wir das Textilstück
bitte haben.“
Sie merkte sich die Nummer, holte den
Mantel, und Tim entnahm das Fläschchen aus der Außentasche.
„Danke!“
Während die Garderobiere den Mantel
zurückhängte, strebte die TKKG-Bande der Herrentoilette zu.
„Ich muß leider draußen warten“, sagte
Gaby. „Was, zum Teufel, sind diurnale Nematoden?“
Tim hob die Achseln. „Ist mir so eingefallen.
Es sollte nach einem medizinischen Fremdwort klingen. Diurnal heißt täglich.
Nematoden sind Spulwürmer.“
„Also, ich warte hier“, lachte Gaby.
Die Jungs betraten den Waschraum der
Herrentoilette.
„Wo habe ich ein Zirkuszelt
eingerissen?“ fragte Klößchen. „Seit wann mach ich Volkstanz?“
Tim lachte. „Ich mußte die Rempelei
doch irgendwie begründen. Zwangsläufig ging da der Witz auf deine Kosten.
Plegel braucht nicht zu wissen, daß du Seiltänzer bist und graziös wie eine
Primaballerina.“
Klößchen stand vor dem Spiegel und
rückte seinen Querbinder zurecht. „Braun steht mir, wie? Ist meine
Lieblingsfarbe. Was nicht heißen soll, daß ich weiße Schokolade verabscheue.
Denn die ist nur äußerlich weiß. Im Geschmack ist sie braun.“
Karl verschwand hinter der Schwingtür
und kam kurz darauf zurück. „Niemand drin. Auch die Kabinen sind leer. Die
müssen alle erst während der Pause.“
Tim hielt das Glasgefäß über eins der
Waschbecken. Die Flüssigkeit hinter dem dicken Glas schwappte. Vorsichtig
drehte er den Glasstöpsel heraus.
„Schwefelsäure“, sagte er, „ist farblos
und ölig. Weiß ich aus dem Chemie-Unterricht. Auch der Geruch — pfui Deibel! —
ich glaube, unsere Vermutung ist richtig. Ich gieße jetzt das Zeug in den
Ausguß.“
„Vorsicht!“ warnte Karl. „Einen Tropfen
auf die Haut — und du siehst deine Knochen. Wenn das Zeug sehr konzentriert
ist, löst sich das Abflußrohr auf. Schwefelsäure kann Kupfer und Silber
zerstören.“
Tim goß vorsichtig. Gestank breitete
sich aus. Aus dem Abflußrohr stiegen Geräusche, als hause dort ein
Tiefsee-Ungeheuer, dem das Meerwasser nicht schmeckt. Die Säure brodelte,
zischte, gluckerte, röhrte — dann fiel der letzte Tropfen aus dem Glas, und der
Spuk war vorbei.
„Brutal umweltschädigend“, sagte Karl.
„Ist übel“, nickte Tim. „Aber in diesem
Fall das kleinere Übel. Ich wette, Plegel bechert sich jetzt mit Gratis-Sekt
den nötigen Mut an. Dann schleicht der Kerl in die Abendländische Sammlung, um
Bilder zu zerstören.“
„Was er nun nicht mehr kann“, lachte
Klößchen, „dieser Leinwand-Attentäter, dieser Ölbild-Vernichter, diese
Grimassen schneidende Ausgeburt der Hölle.“
„Nana“, schwächte Karl ab, „wie kommst
du auf Hölle?“
„Wegen des Schwefels. Danach stinkt’s
doch immer, wenn der Teufel sich zeigt.“
Tim verstöpselte das Gefäß und
vergewisserte sich, daß nicht die kleinste Spur der Säure auf der Außenseite
war.
Gaby blickte erwartungsvoll, als die
Jungs aus der Toilette kamen.
„Schwefelsäure“, nickte Karl. „Ohne
jeden Zweifel. Aber jetzt ist die Pulle leer.“
Sie gingen zur Garderobe zurück. Tim erklärte,
sein Vetter vierten Grades habe sich mit den diurnalen Nematoden-Tropfen für
die Feier gestärkt. Das Fläschchen wurde
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