Sklaverei
umarmen.
Die Mächtigen empfinden es ganz offensichtlich als Ehre, neben Somaly zu stehen. Und vollkommen zu Recht, vor allem wenn man Kambodscha näher kennt und weiß, welche monumentale Aufgabe sie und verschiedene Bürgerrechtsorganisationen sich mit dem Kampf gegen den Menschenhandel und den Sextourismus gesetzt haben, wenn man die Macht der Mafia kennt und wenn man weiß, wie oft sie sich mit den tatsächlichen politischen Mächten angelegt hat, die den Menschenhandel in der Region schützen. Die Gründerin von AFESIP ist der lebende Beweis, dass man die sexuelle Ausbeutung überleben und seelisch, geistig und körperlich gesund werden kann. Mehr noch, dass man ohne Hass und Zorn über die eigene Vergangenheit an der Rettung anderer arbeiten kann. Das ist der besondere Zauber von Somaly, den natürlich nicht alle Überlebenden des Menschenhandels haben, die sich als Aktivisten betätigen, auch nicht in den reicheren Ländern, die ich während meiner Recherche besuche. Der Hass ist ein schlechter Ratgeber, auch und gerade wenn es darum geht, Gutes zu tun.
Sari, eine etwa 30 -jährige Anwältin, erklärt mir, dass die Mädchen, mit denen ich sprechen möchte, schon auf mich warten. Zum Interview fahren wir in das Gesundheitszentrum des Stadtteils, das etwa einen Kilometer von den Büros entfernt liegt. Wir nehmen ihren Motorroller, und Sari schlängelt sich mit Höchstgeschwindigkeit durch den dichten Verkehr. Der Fahrer meines Tuk-Tuk folgt uns; grinsend meint er später, diese Frauen führen einen verdammt heißen Reifen. In der Klinik erwarten mich drei junge Frauen. Zwei arbeiten nach wie vor als Prostituierte, können sich jedoch teilweise frei bewegen (sie bezahlen einen Teil ihres Einkommens an die Bordellbesitzerin – ein höllischer Drahtseilakt) und erhalten gleichzeitig eine Ausbildung für eine andere Arbeit. Die dritte Frau konnte ihrem Zuhälter entkommen, der einem Ring krimineller Betreiber von Bars und Massagesalons angehört; sie lebt heute in einem der Häuser von Somaly Mam.
Während die beiden Ersteren an diesem geschützten Ort mit mir sprechen, können sie natürlich keine Freier bedienen. Mit der Anwältin als Dolmetscherin einigen wir uns darauf, dass ich ihnen ihren Verdienstausfall ersetze. Ich schaue in meinen Geldbeutel und zähle 120 Dollar. Ich frage, wie viel ich ihnen schulde und ob sie Dollar akzeptieren. Drei Dollar verlangen die Frauen pro Stunde von ihren Kunden.
Vermutlich ist Da die traurigste Frau, die ich je gesehen habe. Sie ist nicht geschminkt und trägt eine hellrote Bluse und einen schwarzen Rock. Da kam in der Provinz Prey Veng zur Welt. Als sie 13 Jahre alt war, schickte ihre Mutter sie und ihre Schwester nach Phnom Penh, da die beiden ja nun alt genug waren und für sich selbst sorgen konnten. Ihre Schwester arbeitete in einem Tanzclub für Touristen und hatte eine kleine Tochter, um die sich Da kümmerte. Als die Mutter der beiden krank wurde, benötigten sie Geld für einen Arzt; also nahm Da eine Arbeit als Thai-Masseuse an. Ähnlich wie bei den japanischen Omicēs ist die Massage lediglich eine Fassade: Die Frauen werden gezwungen, halbnackt zu arbeiten, und die Massage endet in einer Masturbation. Die Behörden wissen, dass es sich um Prostitution handelt, doch gegen ein Schutzgeld drücken sie beide Augen zu. Der Besitzer lieh Da 400 US-Dollar, um die Arztkosten der Mutter zu bezahlen. So kam sie zu Schulden, die praktisch unmöglich abzuzahlen waren, es sei denn, so ihr Boss, sie hätte Sex mit den Klienten. Nach zwei Jahren hatte sie ihre Schulden abbezahlt, und während dieser Zeit durfte sie den Salon nicht mehr ohne Begleitung verlassen. Der Besitzer warnte sie, wenn sie zu fliehen versuche, ehe sie ihre Schulden bezahlt hatte, dann würde er sie leicht ausfindig machen. Die Fahrer der Tuk-Tuks gehören einem Netzwerk an; sie transportieren nicht nur die Freier zwischen Hotels und Bordellen hin und her, sondern sie suchen auch geflohene Mädchen und bringen sie zurück, damit sie ihre Strafe erhalten. Da hätte sich in Todesgefahr begeben. Außerdem wusste der Besitzer des Salons, wo ihre Mutter und ihre Schwester lebten.
Der grausamste Kunde war ein etwa 50 -jähriger Chinese, der in Kambodscha eine Fabrik besaß. Der Mann bekam nur dann eine Erektion, wenn er Gewalt ausübte, weswegen alle Mädchen Angst hatten, dass er sie auswählen würde. Er beleidigte die Mädchen, spuckte ihnen ins Gesicht, urinierte auf sie, vergewaltigte sie anal,
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