Sklaverei
sondern verteilen ihn auf mehrere Monatsraten und überweisen ihn auf ein Bankkonto. Auf diese Weise gelangt das Geld ganz legal auf das Konto der Kriminellen, während der eigentliche Gewinner sein Vermögen in der Matratze versteckt.
In allen Ländern, die ich während meiner Recherche für dieses Buch besucht habe, teilten mir Behördenvertreter mit, sie könnten ziemlich genau abschätzen, welche Gewinne die Menschenhändler mit der Zwangsprostitution erzielten. Trotzdem seien sie nicht in der Lage, dieses Geld ausfindig zu machen oder seine Besitzer festzunehmen. Das liege daran, so M. Álvarez von der Interpol, dass sich nicht feststellen lasse, welches Geld genau aus der – oft illegalen, aber nicht kriminellen – Prostitution stamme und welches aus der Zwangsprostitution.
Die einzige Möglichkeit, die Geldwäsche zu stoppen und damit das Geschäft mit dem Menschenhandel zu unterbinden, wären internationale Regelungen, mit deren Hilfe sich nachvollziehen lässt, wer Geld schickt und wer es empfängt. Jeden Tag werden weltweit Abermillionen von Geldtransfers im Wert von einer Billion Dollar getätigt. Es wäre vollkommen unmöglich, diese Daten zu sammeln und auszuwerten, vor allem diejenigen über Kleinstbeträge, ganz abgesehen davon, dass keine Regierung der Welt ein Interesse daran hätte, Geld in diese Untersuchung zu investieren, wenn sie nichts daran verdienen kann. Ganz zu schweigen davon, dass viele Regionen und Länder wirtschaftlich von den Erträgen der Kriminalität abhängen.
10 Das Handwerk der Zuhälter
Im Zuhälter vereinen sich eine Reihe von Elementen der patriarchalen Kultur; der männliche wie der weibliche Körper unterliegen Machtmechanismen, die der Zuhälter in bestimmten, für seine Praktiken vorteilhaften, sozioökonomischen und historischen Kontexten auszunutzen versteht.
Óscar Montiel Torres
Man hört immer wieder, die Prostitution sei das älteste Gewerbe der Welt, aber bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass die Zuhälterei älter ist. Zuhälter müssen nicht männlich sein, es gibt auch Zuhälterinnen. Ob männlich oder weiblich, als Zuhälter, Lude oder Stenz bezeichnet man Personen, die Frauen zum Zwecke der Prostitution manipulieren, organisieren, ausbilden, ausbeuten und kontrollieren.
Obwohl die Gesetze gegen Prostitution weltweit verschärft werden, operieren die Zuhälter, Schlepper und Menschenhändler nach wie vor in vielen ländlichen Regionen rund um den Globus, und sie gehen dabei auf ganz ähnliche Weise vor. An vielen Orten ist es ihnen gelungen, eine Kultur der Zwangsprostitution zu schaffen und diese über Bräuche und Gepflogenheiten fest in der jeweiligen Region zu verankern. Im Süden des mexikanischen Bundesstaates Tlaxcala hat sich beispielsweise eine auffällig große Zahl von Zuhältern etabliert, die Frauen anwerben und diese in der Prostitution in der Hauptstadt, anderen Provinzstädten oder sogar in den Vereinigten Staaten platzieren beziehungsweise sie dorthin verkaufen. Ähnliches ist im Norden Guatemalas an der Grenze zu Mexiko zu beobachten. Diese Kultur hat erschreckende Ähnlichkeit mit der Zwangsprostitution von Frauen und Kindern in den ländlichen Regionen von Kambodscha, Thailand oder Vietnam, die ich im Rahmen meiner Recherchen besucht habe.
Das Buch
Trata de Personas
(zu Deutsch etwa »Menschenhandel«) von Óscar Montiel Torres ist eine der aktuellsten Bestandsaufnahmen zum Thema der Zuhälterei. [16] In seiner Felduntersuchung erklärt Montiel Torres ausführlich, wie das Gewerbe funktioniert, und lässt dabei zahlreiche seiner mexikanischen Vertreter zu Wort kommen. Mit seiner Erlaubnis fasse ich in diesem Kapitel die zentralen Punkte zusammen.
Wie man Zuhälter wird
Der Pate
Wer Zuhälter werden will, hat die Möglichkeit, das Handwerk über einen Paten zu erlernen. Dazu sucht er sich einen erfahrenen Kollegen, der sein Wissen zur Anwerbung oder Kontrolle der Frauen weitergibt. Ein Zuhälter mit dem Spitznamen »El Chulo« erklärte Montiel Torres, wie die Patenschaft funktioniert:
Vorher habe ich den ganzen Tag Eis verkauft. Na ja, an guten Tagen. Wenn's geregnet hat, habe ich keinen Centavo verdient. Und dabei muss ich meine Familie ernähren, meine Frau und zwei Enkeltöchter. Ich habe mir oft den Kopf an mein Eiswägelchen geschlagen und gedacht, du lieber Gott, wie komme ich nur aus dieser Scheiße raus? Dann habe ich ein paar Jungs gefragt, ob sie mir nicht unter die Arme greifen können. Ein paar habe ich noch
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