Sklaverei
Torres davon aus, »dass Körper und Mentalität einer ganzen Reihe von Weltbildern und -vorstellungen unterliegen«. Die Strategien, mit denen Zuhälter die Frauen verliebt machen, wurzeln in den traditionellen Gepflogenheiten der jeweiligen Kultur, die zur Rekrutierung der Frauen für die Prostitution lediglich leicht modifiziert werden. In einer Art Ausbildung wird der Körper der Frau unterworfen und die Herrschaft verinnerlicht. Dazu zitiert Montiel Torres den französischen Soziologen Pierre Bourdieu:
Die Arbeit der Transformation der Körper, gleichzeitig nach Geschlecht differenziert und die Geschlechter differenzierend, die teils suggestive Mimik, teils durch explizite Drohung und schließlich durch eine symbolische Konstruktion der Sicht des biologischen Körpers (vor allem des sexuellen Akts als eines Akts der Herrschaft und der Inbesitznahme), erzeugt systematisch differenzierte und differenzierende Gewohnheiten.
Bei der Maskulinisierung des männlichen und der Feminisierung des weiblichen Körpers handelt es sich um eine immense und in gewissem Sinne nie abgeschlossene Aufgabe, die heute mehr denn je Zeit und Energie erfordert und eine Somatisierung beinhaltet. Über die Bändigung des Körpers werden grundlegende Haltungen vermittelt, die für die sozialen Spiele zur Entfaltung der Männlichkeit – Politik, Unternehmen, Wissenschaft und so weiter – sowohl geneigte als auch geeignete Subjekte schafft. [17]
In diesem Prozess der »Bändigung« werden die Leidenschaften und unkontrollierten Verhaltensweisen unterdrückt, und der weibliche Körper wird zu einem Körper
von
und
für
andere. Es ist eine immense Aufgabe, in der die sozialen und Geschlechterbeziehungen, die das männliche Verhalten privilegieren, »naturalisiert« werden. Diese Aufgabe muss jedoch nicht vom Zuhälter allein geleistet werden, denn diese Form der Bändigung und Kontrolle ist ja bereits verinnerlicht: Es handelt sich um einen langen gesellschaftlichen und historischen Prozess, in dem die Vorstellungen dessen entstanden, was es bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein. Diese verinnerlichten Vorstellungen wissen die Zuhälter für sich zu nutzen.
Die gute Zunge
Zuhälter benötigen eine gewisse Ausstrahlung, sie müssen gut aussehen, und vor allem müssen sie wortgewandt genug sein, um den Frauen »den Kopf zu verdrehen«. Die mexikanischen Zuhälter in Montiel Torres' Untersuchung sprechen davon, man brauche »eine gute Zunge«, um die Mädchen zu verführen. Nicht zu vergessen ein neues Auto, um auf der Suche nach potentiellen Opfern an Schulen, Parks oder Fabriken vorüberzufahren. Wenn eine junge Frau seine Annäherungen zulässt, spielt er seine Erfahrung aus, um sie zu umgarnen. Nachdem sich das Mädchen in den Zuhälter verliebt hat, wird sein Können auf die Probe gestellt, denn »ein guter Zuhälter darf nicht länger als zwei Wochen brauchen, um ein Mädchen dazu zu bringen, für ihn anschaffen zu gehen«. Die Überzeugungsarbeit muss so effizient wie möglich sein, denn die jungen Frauen dürfen keine Zeit haben, um sich über das Gewerbe und die wahren Absichten ihres neuen Partners Gedanken zu machen. Ein Zuhälter namens »El Compa« empfiehlt daher:
Es ist gar nicht so einfach, die Ware zu finden, aber wenn du sie gefunden hast, musst du schlau sein. Schlauer als die Frauen, denn die sind verdammt schlau, manchmal schlauer als wir Männer. Deswegen dürfen sie gar nicht zum Nachdenken kommen, nicht mal Luft holen dürfen sie. Denn wenn du lange brauchst, fangen sie an, dir Fragen zu stellen und Schlüsse zu ziehen. Deswegen brauchst du eine gute Zunge. Einmal hatte ich ein hübsches Mädchen, die hat sich ruckzuck in mich verliebt. Aber dann brauchst du eine gute Zunge, um sie zu therapieren. Ich habe zu ihr gesagt, sie ist das Beste, was mir je im Leben passiert ist, und ich wollte ihr ein Leben in Luxus ermöglichen, mit Haus, Auto und allem Drum und Dran. Du musst sie dazu bringen, dass sie sich auf deine Ideen einlässt, und sie an das gute Leben gewöhnen. Das ist der erste Schritt.
Aber das ist erst der Anfang. Denn nun muss der Zuhälter seine Eloquenz nutzen, um das Mädchen so weit zu bringen, dass sie für ihn anschaffen geht:
Wenn das Mädchen so weit ist, dass sie mit dir zusammenzieht, dann musst du sie therapieren. Du musst sie überzeugen, dass ihre Zukunft woanders ist. Zum Beispiel erzählst du ihr, du bist Händler und hast eine Möglichkeit, in Guadalajara Klamotten zu verkaufen. Damit
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