Sklavin des Herzens
die vorangegangene Nacht. Da waren seine Worte, die sie geglaubt hatte und noch glaubte – daß er seit ihrer Ankunft keine seiner anderen Frauen angerührt hatte.
Ja, letzte Nacht. Er hatte sie bis zur Morgendämmerung nicht gehen lassen, und sie beide hatten in den langen Stunden nicht geschlafen. Sie wußte nicht, wie oft sie sich geliebt hatten, wie oft seine Stimme und seine Berührung die Glut wieder angefacht hatte, die er nie ganz verlöschen ließ. Sie war in ihre Zimmer zurückgekehrt und hatte den ganzen Morgen geschlafen, erschöpft, aber mit einer Zufriedenheit, die sie noch nicht zu analysieren versucht hatte. Sie hatte nicht darüber nachgedacht, sondern vorgezogen, ihre Gefühle auszukosten, ehe sie sie zerpflückte, um herauszufinden, warum sie über ihre leichte Kapitulation weder bestürzt noch im geringsten enttäuscht war.
»Sie verstehen sicher, warum soviel gerätselt wird, seit er Sie gekauft hat«, fuhr Jamila fort und spielte mit einer Locke ihres dunkelbraunen Haars. »Jeder überlegt, ob er Ihnen einfach nicht widerstehen konnte oder ob Ihre Ankunft eine Änderung signalisiert, daß nun wieder mehr Frauen in den Harem aufgenommen werden.«
Chantelle hatte keine Lust, dieser Frage nachzuspüren, da es andere wichtigere gab, die sie noch nicht gestellt hatte. Ein Themawechsel erschien ihr angebracht.
»Vermissen Sie die Heimat, Jamila?«
»O ja. Ich kann mich nicht an die Untätigkeit hier gewöhnen. Ich war immer so beschäftigt. Der Tag hatte nie genügend Stunden für all meine Verpflichtungen. Hier haben wir zuviel Zeit und nichts zu tun. Ich war überzeugt, die Langeweile würde mich reif für die Irrenanstalt machen, aber das lag natürlich daran, daß der Herrscher eine Weile brauchte, bis er seinen Ärger überwand und mich endlich bemerkte.« Sie beugte sich herüber und senkte die Stimme. »Ich bin erst seit einem Monat eine Ikbal, aber das macht allen Unterschied. Nun erlebe ich die Vorfreude, innerhalb einer Woche von Jamil gerufen zu werden, denn länger ignoriert er seine Favoritinnen selten. Es ist jedesmal ein herrliches Erlebnis -er ist so ein wundervoller Liebhaber, nicht wahr?«
Ja, wundervoll. Chantelle konnte es nicht leugnen, doch sie schreckte vor dem Gedanken zurück, daß so viele Frauen in den Genuß dieser Erfahrung kamen.
Jamila hatte eine Bestätigung ihrer letzten Feststellung nicht abgewartet. Sie plauderte munter weiter. »Die arme Sheelah weiß nicht, was sie denken soll. Sie liebt ihn so.«
Chantelle konnte nicht widerstehen zu fragen: »Lieben Sie ihn?«
Die Brünette zuckte die Schultern. »Ich weiß es wirklich nicht. Jedesmal, wenn ich bei ihm bin, glaube ich es. Als ich ihn zum ersten Mal sah, war ich so erleichtert, weil er nicht alt, fett oder häßlich war. Tatsächlich könnte sich keiner meiner Bekannten in England mit ihm messen, aber …« Sie machte eine Pause, ehe sie wisperte. »Wenn ich morgen freigekauft würde, hätte ich nichts dagegen. Der Herrscher ist wundervoll und liebenswürdig und so sexy, und ich hatte Glück, daß ich für ihn und keinen anderen gekauft wurde, aber am liebsten wäre mir doch ein Mann, der mir gehört und der mir zur Verfügung stünde, wenn ich wollte. Ich bin wohl ein wenig selbstsüchtig.«
»Überhaupt nicht«, versicherte Chantelle. »So sind wir eben erzogen worden.«
»Dann gefällt es Ihnen auch nicht, ihn teilen zu müssen?«
Chantelle mochte hierauf nicht antworten, statt dessen sagte sie: »Unser Leben lang hielten wir es für selbstverständlich zu heiraten, und natürlich erwarten wir, die eine und einzige Liebe unseres Mannes zu sein.«
»Genau.« Jamila strahlte. »Niemand sonst gibt das zu. Aber die anderen sind schon soviel länger da und haben sich an die Situation gewöhnt. Im Lauf der Jahre wird es uns wohl auch so gehen. Dennoch ist es eine Schande.« Sie kicherte und rollte die Augen. »Mit dem, was ich hier gelernt habe, würde mein Ehemann sich nicht langweilen und nicht allzuschnell nach einer Geliebten Ausschau halten.«
Chantelle mußte lächeln. »Nein, gewiß nicht.«
»Leider werde ich das nie ausprobieren können.« Jamila legte den Kopf auf die gekreuzten Arme. »Sheelah war die Glückliche. Ich dachte, der Herrscher würde sie wirklich lieben. Doch letzte Woche, auf Nouras kleiner Party, sah man den Unterschied. Zum erstenmal verteilte Jamil seine Aufmerksamkeit in Sheelas Gegenwart völlig gleichmäßig unter uns allen. Sie war am Boden zerstört.«
Chantelle
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