Sklavin des Herzens
furchte die Stirn. Ihr war nicht aufgefallen, daß Sheelah unglücklich wirkte.
Jamila fuhr fort: »Ich wäre nicht überrascht, wenn Noura auf so etwas gewartet hätte. Sie haßt Sheelah schon von Anfang an, weil sie Jamils erste Frau ist. Ich möchte auch Sie vor Noura warnen. Jeder schwört, sie hätte versucht, Sheelahs Sohn nach der Geburt ihres eigenen zu töten, doch es konnte nie bewiesen werden.«
»Ist das Ihr Ernst, Jamila?«
»Mmm.« Sie sah Chantelle an. »Ich wollte Sie nicht erschrecken. Vorerst haben Sie von Noura nichts zu befürchten. Ihr größter Haß gilt den Frauen, die dem Herrscher Kinder geboren haben. Ich wollte Sie nur warnen, damit Sie sich eventuelle böse Worte von Noura nicht zu sehr zu Herzen nehmen.«
»Ich weiß das zu schätzen, aber ich habe mir schon meine Meinung über diese Frau gebildet. Mir ist nie eine rachsüchtigere Person begegnet. Aber was ist mit Sheelah? Warum ist sie so nett zu mir, wo sie mich doch hassen muß?«
»O nein, das dürfen Sie nicht denken! Sie ist nicht fähig, jemanden zu hassen, nicht einmal Noura.«
Warum fühlte Chantelle sich jetzt elend statt erleichtert? »Wenn Sie das sagen …«
»Oh, meine Liebe, nun habe ich Sie bekümmert. Das wollte ich nicht, wirklich nicht.«
»Es ist schon in Ordnung, Jamila.«
»Sind Sie sicher? Sagen Sie es nicht nur?«
»Bestimmt nicht.«
»Gut, denn ich hatte gehofft, wir könnten Freundinnen sein. Sie dürfen sich wegen Sheelah nicht schuldig fühlen. Das würde sie nicht wollen. Es ist ja auch nicht so, daß Sie ›die andere‹ wären – bei diesem Überangebot.«
»Aber sie ist seine Ehefrau.«
»Eine von drei Ehefrauen, und wir sind seine Favoritinnen, aber er vernachlässigt die Konkubinen auch nicht für lange Zeit. So ist hier das Leben. Diejenige, die er momentan bevorzugt, ist die Glückliche. Sie müssen es genießen, solange es dauert.«
Das hieß wohl, daß es nicht andauern würde? Chantelle sprach die Frage nicht aus. »Ich möchte nicht die Ursache für den Schmerz einer anderen sein.«
»Oh, das sind Sie doch nicht«, versicherte das Mädchen. »Jamil rief Sheelah zu sich, ehe er Sie zum erstenmal holen ließ. Und vermutlich wird sie die erste sein, wenn er Ihnen eine Pause gönnt, also machen Sie sich keinen Kummer wegen ihr. Schließlich gebar sie ihm seinen ersten Sohn, und er betet den Jungen an. Sie war nur bestürzt, weil sie sein verändertes Verhalten nicht erwartet hatte.«
Chantelle hatte nach dem zweiten Satz nicht mehr viel gehört. »Meinen Sie, er hat mit Sheelah geschlafen, nachdem er mich gekauft hatte?«
»Ja, natürlich«, erwiderte Jamila erstaunt. »Sie waren noch in der ›Lehre‹, und die wurde recht plötzlich abgebrochen, nicht wahr? Ich kam in der zweiten Nacht an die Reihe. Ich hatte schon Angst, gehen zu müssen, wenn Sie Favoritin werden würden. Wie sich dann herausstellte, wurde Mara zurückgeschickt. Erst nachdem er Sie zum erstenmal zu sich gerufen hatte, holte er keine andere Frau mehr zu sich. Sie wissen gar nicht, wie glücklich Sie sind, Haar, daß Sie ihn eine ganze Woche für sich haben. Mir gelang es nur zweimal hintereinander, dann kam Sheelah zurück in sein Bett.«
Chantelle schloß die Augen und zählte stumm bis zehn. Sie durfte sich von diesen Neuigkeiten nicht aus der Ruhe bringen lassen. Es sah vielleicht nur so aus, als habe Jamil sie angelogen. Er hatte nicht direkt behauptet, mit keiner anderen mehr geschlafen zu haben. Er hatte sie gefragt, wie er eine andere in sein Bett einladen könnte. Nun, offenbar konnte er. Er hatte nur durchblikken lassen, daß es nicht wahrscheinlich sei.
Nein, nein, sie durfte nicht denken, daß er sie absichtlich täuschte. Vielleicht hatte er nur erklären wollen, daß er immer an sie dachte, und das hatte Jamila indirekt bestätigt. Außerdem -hatte sie nicht selbst angenommen, daß er noch mit seinen Ehefrauen schlief? Das hatte sie nicht daran gehindert, sich ihm hinzugeben. Oh, aber, wie romantisch war es gewesen, von ihm zu hören, daß nur sie seine Sehnsucht stillen konnte, seitdem er sie zum erstenmal gesehen hatte.
Hauptsächlich waren diese Worte verantwortlich für ihre Zufriedenheit an diesem Morgen und ließen sie beinahe vergessen, daß sie nicht Jamils einzige Konkubine war. Jede teilte ihn mit ihr, aber daß sie ihn noch mit keiner anderen geteilt hatte, machte den entscheidenden Unterschied. Sie brauchte ihn heute abend nur nach den näheren Umständen zu fragen. Wenn er ihr versichern
Weitere Kostenlose Bücher