Sklavin des Herzens
vielleicht bringt ihn das vor die Tür. Dann möchte ich aber Resultate sehen. Keine Stümperei mehr, oder ich nehme dir die Sache aus der Hand. Und wage nicht, mich zu hintergehen, Ali! Keiner ist …«
Die beiden entfernten sich, und Chantelle konnte den Rest nicht mehr hören. Zu schade, denn das Thema der beiden begann gerade interessant zu werden. Chantelle konnte sich zwar keinen Reim daraus machen, aber es hatte sie von ihren trüben Gedanken abgelenkt, und sie konnte nun zu ihren Zimmern zurückkehren.
Sie sah die beiden Personen nicht, die am Ende der Halle standen, als sie den Dampfraum verließ, doch die beiden bemerkten Chantelle.
»Glauben Sie, daß sie unser Gespräch gehört haben könnte?« fragte der Eunuche.
»Nein, aber für den Fall …«
»Ich kümmere mich persönlich darum, Lalla.«
34
Als Chantelle am nächsten Nachmittag die Bäder betrat, waren ihre Augen umschattet, aber nichts hätte sie zurückhalten können, nicht ihre Magenverstimmung und auch nicht Adammas Warnungen, daß heute jeder über sie reden würde, und bestimmt nicht ihr eigener Wunsch, sich zu verstecken. Dafür war sie zu stolz, und außerdem hatte sie sich jetzt in der Gewalt. Man sah ihr nicht das kleinste Unbehagen über das gestrige Geschehen an.
Doch Adamma hatte nicht übertrieben. Chantelle stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Aber sie ertrug die höhnischen und schadenfrohen Blicke, das Flüstern und laute Gelächter, wenn sie in die Nähe kam, mit äußerlicher Gelassenheit. Sie merkte natürlich auch, daß nicht alle Frauen in ihrer Eifersucht so boshaft waren. Es gelang ihr sogar, ein Lächeln aufzusetzen, als sie Noura traf, die es eilig hatte, ihr zu erzählen, Jamila sei so erschöpft, daß sie zu dieser späten Stunde noch schlafe.
Das tat weh, denn sie selbst war gestern morgen ebenso erschöpft gewesen. Auch heute war sie übermüdet, aber aus einem anderen Grund. In der Schlaflosigkeit der letzten Nacht hatte sie kein Vergnügen gefunden. Der ganze Abend war scheußlich gewesen. Sie hatte jeden Besucher abgelehnt und so nur Adammas Gesellschaft erduldet. Die Kleine benahm sich, als sei sie diejenige, der die Gunst des Herrschers entzogen Worden war, und lief mit einem langen Gesicht herum.
Chantelle hatte gerade die Bäder verlassen, um den Gemeinschaftsraum zu betreten, da kam Adamma mit strahlendem Lächeln angerannt und verkündete ihr, sie sei für den Abend zu Jamil bestellt. Sie schrie so laut – mit Absicht, wie Chantelle argwöhnte -, daß keiner es überhören konnte. Doch Tante Ellen wäre stolz gewesen, denn Chantelle zuckte nicht mit der Wimper.
Sie nickte nur leicht und verließ ruhig den Hammam, um in ihre Zimmer zu gehen. Damit erweckte sie den Eindruck, den Ruf als selbstverständlich hinzunehmen. Aber das tat sie nicht – nicht im geringsten.
Sie suchte sofort ihren Schlafraum auf und kam nicht mehr heraus. Sie hörte, wie Adamma jenseits des Vorhangs, der die beiden Zimmer trennte, auf und ab wanderte. Sicher wollte das Mädchen mit den Vorbereitungen beginnen, aber Chantelle hatte nichts vorzubereiten.
Adamma wartete nicht länger als zwanzig Minuten, dann streckte sie den Kopf durch den Vorhang. Sie sah, daß ihre Herrin vor dem Fenster stand und in den Garten hinausblickte.
»Lalla?«
»Ja?«
»Sollten wir nicht anfangen …«
»Nein.«
»Aber …«
»Ich gehe nicht, Adamma.«
Haar hatte sich nicht vom Garten abgewendet. Ihre Stimme klang ganz normal. Adamma kaute an ihrer Unterlippe. Sie hätte das vorausahnen müssen.
»Sind Sie krank, Lalla?« fragte sie zögernd.
Chantelle blickte über die Schulter. »Krank?« Sie lächelte angespannt. »Nein, aber diese Entschuldigung ist so gut wie jede andere, um eine königliche Schlacht zu vermeiden. Kadar soll Haji Agha informieren, damit der Herrscher für heute abend eine andere Vereinbarung treffen kann.«
Adamma stöhnte und eilte zur Eingangstür, wo der schwarze Eunuche Wache hielt. »Sie geht nicht zu ihm!« rief das Mädchen.
Kadar sprang sofort auf. »Ist sie krank?« fragte auch er.
»Nein, aber Sie müssen Haji Agha erklären, sie sei krank.«
»Das wird nicht funktionieren, Mädchen.«
»Hoffen Sie lieber, daß es funktioniert, denn sie meint es ernst. Sie geht nicht zu ihm.«
Kadar brummte und machte sich auf den Weg. Eigentlich hatte er gewußt, daß die kleine Engländerin nicht sehr lange gefügig bleiben würde. Sie war zu stolz und zu eigenwillig, um ihr eigenes Wohl im Auge zu behalten.
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