Sklavin des Herzens
deiner neuen Konkubine sehr angetan bist. Man behauptet, du bliebst jetzt gern innerhalb der Palastmauern, weil diese neue Sklavin dich gut unterhalten würde. Also kann sich jeder denken, daß ihr Tod dich schwer treffen würde und du vielleicht sogar sorglos genug wärst, ihrem Begräbnis beizuwohnen.«
»In Ordnung«, sagte er kurz. »Du hast mir deinen Standpunkt klargemacht.«
»Haji Agha wird den Harem natürlich durchsuchen lassen. Wenn wir das Gift finden …« Sie machte eine Pause und fügte hinzu: »Es wird kaum jemand so dumm sein, den Rest nicht zu vernichten.«
Nach kurzem Schweigen sagte er: »Ich möchte, daß Haar in meine Gemächer gebracht wird, sobald es geht.«
Rahine war so erstaunt, daß sie gedankenlos seinen Arm berührte. »Wenn das eine Schutzmaßnahme sein soll, können wir hier besser Vorsorgen. Was denkst du nur, Jamil? Wie oft sind die Attentäter schon bis zu deiner Wohnung vorgedrungen! War Haar nicht erst letzte Nacht in Gefahr?«
Er gab ihr recht und legte seine Hand auf ihre. »Ich weiß. Ich scheine nicht klar denken zu können, wenn es um sie geht. Kannst du mir versprechen, daß so etwas nicht noch einmal passieren wird?«
Rahine spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Zum zweitenmal bat er sie um ihre Hilfe und traute ihr zu, seinen kostbarsten Besitz zu schützen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann er zum letztenmal irgend etwas von ihr gewollt hatte. Und er hatte sie nicht mehr berührt, wirklich berührt, seit sie Kasim fortgeschickt hatte. »Ja, ich kann dir versprechen, daß Haar kein vergiftetes Essen mehr bekommen wird. Von jetzt an stelle ich ihr meine eigene Köchin und meine Vorkoster zur Verfügung. Die Leute sind schon seit mehr als zwanzig Jahren bei mir und absolut treu.«
Er nickte und fühlte sich wenigstens von dieser Sorge befreit. Es war unvernünftig gewesen, Chantelle aus dem Harem holen zu wollen. Er hatte ihretwegen schon zu viele Regeln mißachtet. Er mußte aufhören, Dinge zu tun, die Jamil nicht tun würde, sonst lief er Gefahr, sich zu verraten. Doch er wollte nun einmal Haar selbst beschützen und das nicht anderen überlassen.
Er blickte zum Fenster hinaus. Es gab nichts mehr zu sagen. Er hatte tausend Fragen, die er aber jetzt nicht stellen durfte. Doch es fiel ihm schwer, diesen seltenen Augenblick mit Rahine zu beenden.
»Sag mir, daß sie nicht sterben wird, Mutter.«
»O Gott!«
Sie schwankte, und er hielt sie am Arm fest. »Was ist?«
»Nichts, nichts«, versicherte sie. Aber sie wandte sich ab und sah ihn nicht mehr an. »Du brauchst keine Angst um sie zu haben. Du sagtest selbst, sie sei störrisch. Und sie erbrach alles, was sie gegessen hatte, demnach kann höchstens eine minimale Menge Gift zurückgeblieben sein.«
»Aber sie hat Schmerzen.«
»Die kommen von dem Abführmittel und von dem Gift. Deine Ärzte werden ihr etwas geben, um die Schmerzen zu lindern. Wahrscheinlich geht es ihr jetzt schon besser. Geh und überzeuge dich selbst.«
Er hatte keine Wahl, denn sie ging schnell hinaus. Doch er wußte, daß er sie aus der Fassung gebracht hatte. Nur den Grund ahnte er nicht: Er hatte sie Mutter genannt, und das hatte Jamil seit neunzehn Jahren nicht mehr getan.
39
»Fühlen Sie sich nun besser?«
Chantelle befahl Adamma, das Aufschütteln der Kissen zu beenden, und schickte sie hinaus. Rahine saß auf der Bettkante. Sie hatte die Frage gestellt.
»Ich würde es hassen, Ihnen zu beschreiben, wie ich mich wirklich fühle, Madame.«
Rahine lächelte über den säuerlichen Ton. »Viel besser, würde ich sagen.«
Chantelle wollte schon ein finsteres Gesicht machen, dann sparte sie sich die Mühe. Sie hatte die Empfindung, ihr Inneres sei ausgewrungen und zum Trocknen nach außen gestülpt worden. In ihrem Mund befand sich ein schrecklicher Geschmack, jeder Knochen schien zu schmerzen, und sie war schwach wie ein Rehkitz. Doch das war nichts im Vergleich zu ihrem vorherigen Befinden. Wenigstens sprach Rahine jetzt zur Abwechslung einmal Englisch, so daß Chantelle sich mit dem Übersetzen nicht abplagen mußte.
»Sind Sie gekommen, um mir die letzte Ehre zu erweisen?«
Rahine lachte laut. »Seien Sie nicht albern, Kind. In ein paar Tagen sind Sie so gut wie neu.«
Chantelle schloß die Augen vor soviel guter Laune. Niemand sollte sich in ihrer Gegenwart amüsieren, solange sie sich so elend fühlte.
»Darf ich annehmen, daß Sie froh sind, daß ich noch unter den Lebenden weile?«
»Sehr froh, Haar. Ich weiß
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