Sklavin des Herzens
nicht, was Sie an sich haben, aber Jamil ist durch Sie völlig verändert, und dafür danke ich Ihnen. Es ist beinahe so, als hätte ich meinen Sohn zurückbekommen.«
»Ich habe nicht gemerkt, daß Sie ihn verloren hatten.«
»Das ist … eine lange Geschichte – nichts, was Sie interessieren dürfte.«
Dieses Ausweichen hätte Chantelle neugierig machen müssen, aber sie hatte anderes im Sinn. »Habe ich geträumt, oder war Jamil hier?«
»Er war fast den ganzen Nachmittag da.«
»Aber ich dachte, er würde den Harem nie betreten?«
»Sie müssen bedenken, daß die Umstände ungewöhnlich sind, meine Liebe. Es ist das erstemal, daß eine seiner Frauen vergiftet wurde.«
Dabei hatte Chantelle gedacht, er würde sich vielleicht mehr um sie als um seine anderen Damen sorgen! »Wie kam ich zu der Ehre?«
»Es ist zweifelhaft, ob wir je erfahren werden, wer Sie töten wollte, aber Sie brauchen nicht zu fürchten, daß es je wieder passieren wird. Von jetzt an wird Ihr Essen aus meiner eigenen Küche kommen, und Haji Agha hat Ihnen zwei seiner persönlichen Leibwächter zugewiesen. Sie werden nie mehr ganz allein sein.«
»Wunderbar«, meinte Chantelle bitter. »Dann bin ich mehr als je zuvor eine Gefangene.«
»So dürfen Sie es nicht sehen.«
»Nicht? Vermutlich sollte ich dankbar sein, daß jemand mir den Tod wünscht?«
Nun würde sie nie mehr fliehen können, doch, was noch schwerer wog: sie war nicht mehr sicher, ob sie das überhaupt noch wollte, nicht mehr nach der letzten Nacht. Aber Rahine durfte das nicht wissen, zumal sie es vorausgesagt hatte. Chantelle hatte keine Lust, ein selbstgefälliges »Das habe ich Ihnen gleich gesagt« zu hören.
Wie hatte Jamil das fertiggebracht? Wie hatte er ihren Ärger und ihr Verletztsein besiegt und sie dahingehend beeinflußt, ihn erneut zu begehren? Und so intensiv! Lieber Gott, sie hatten sich die ganze Nacht geliebt. Nachdem er beinahe den Tod gefunden hatte, war es so gewesen, als habe sie nicht genug von ihm bekommen können. Wenn jemand soweit gewesen war, um Gnade zu bitten, war es Jamil gewesen.
Sie sollte sich zutiefst schämen, aber sie tat es nicht. Irgendwann in dieser Nacht hatte sie ihm Jamila vergeben, und er hatte ihr versichert, das würde nicht noch einmal passieren. Sie glaubte ihm, weil sie es glauben wollte, weil sie ihn wollte. Es konnte gar nicht einfacher sein. Wie ein verliebtes Schaf war sie nun mit ihrem Sklavendasein zufrieden. Hatte sie sich verliebt? Guter Gott, das wäre lächerlich! Einen Mann zu lieben, der achtundvierzig Frauen besaß? Am besten war es, hier nicht zu tief zu schürfen!
» … meinen Sie nicht auch?«
»Verzeihung, was sagten Sie?«
»Ich sagte, daß Sie dankbar sein müßten, weil Sie noch am Leben sind.«
Chantelle schnitt eine Grimasse. »In Ordnung.«
»Hat man Ihnen schon verraten, daß Sie keine sehr geduldige Patientin sind?«
Chantelle lächelte grollend. »Bin ich besonders anstrengend, Rahine?«
»Ja, und frech.«
»Niemand ist in der Nähe, Madame.«
Diesmal unterdrückte Rahine ein Lachen. »Sie sind unverbesserlich. Gut, Sie können mich Rahine nennen, wenn niemand in der Nähe ist.«
»Und Sie nennen mich bitte Chantelle, wenn niemand in der Nähe ist.«
»Sie sollten Ihr früheres Leben vergessen«, meinte Rahine, doch sie wurde gleich unterbrochen.
»Haben Sie Ihres vergessen?«
»Ich … ich denke, Sie brauchen jetzt Ruhe.«
»Noch nicht.« Chantelle richtete sich in den Kissen auf. »Zuerst sagen Sie mir, wer der Mann war, der Jamil gestern nacht töten wollte.«
»Das werden wir wohl nie erfahren.«
»Dann wissen Sie auch nicht, warum er ihn angegriffen hat?«
Rahine sah sie einen Augenblick überrascht an. »Heißt das … Aber Sie müssen doch etwas von Jamils Schwierigkeiten gehört haben?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Aber ich habe es Ihnen gegenüber erwähnt – als Sie ihn dazu trieben, leichtsinnig den Palast zu verlassen. Ich sagte Ihnen, sein Leben sei in Gefahr.«
»Ja, das war alles, was Sie mir sagten. Und ich bitte Sie festzuhalten, daß ich ihn dazu trieb«, fügte Chantelle betont hinzu. »Ich bin nicht verantwortlich für sein unbeherrschtes Temperament.«
»Darüber wollen wir jetzt nicht streiten«, erklärte Rahine, und dann erzählte sie Chantelle von den Anschlägen auf Jamils Leben und den Verdacht, Selim stecke dahinter, da er in der Erbfolge der nächste sei.
»Aber Jamil hat Söhne«, wandte Chantelle ein, obwohl das nicht zu ihren
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