Sklavin des Herzens
Lieblingsthemen gehörte.
»Stimmt, sie sind jedoch alle viel zu jung. Wir sind hier nicht in England, Kind. Ein Bruder im Erwachsenenalter wird fast immer einem Sohn vorgezogen, der noch zu jung zum Herrschen ist. Natürlich hat es auch Fälle gegeben, in denen eine Mutter die Unterstützung der Armee kaufte, um ihren Sohn zu befördern, aber in Barka ist das noch nie geschehen.«
»Und Sheelah …«
»Niemals Sheelah!«
Chantelle wunderte sich über Rahines heftigen Einwurf und die Parteinahme für Jamils erste Frau. Dann weiteten sich ihre Augen.
»Noura besitzt den Zweitältesten Sohn, nicht wahr?«
»Ja, aber … das ist lächerlich, Haar …«
»Chantelle.«
Rahine schürzte die Lippen. »Gut – Chantelle. Spekulationen dieser Art sind fruchtlos. Und außerdem hat Jamil noch einen Halbbruder nach Selim. Ist Ihnen klar, wie viele sterben müßten, ehe Noura durch ihren Sohn an die Macht kommen könnte? Es wäre auch zu auffällig, selbst wenn die anderen Todesfälle keinen Verdacht erwecken würden – besonders, falls Jamil zuerst sterben sollte.«
Chantelle rann es kalt über den Rücken, als so unumwunden von Jamils Tod die Rede war. Sie hatte nicht geahnt, daß er in solcher Gefahr schwebte.
»Ich wünschte, Sie hätten mir nichts von alledem gesagt.«
Rahine zuckte die Schultern. »Sie haben mich gefragt, Kind.« Dann beugte sie sich vor und drückte Chantelles Hand. »Wir müssen Ihnen danken, daß Sie ihn von seinen Problemen abgelenkt haben, wenn Sie es auch auf eine unakzeptable Art taten.«
Chantelle war es klar, daß das eine Anspielung auf ihre Widerspenstigkeit bedeutete, aber wußte Rahine auch, daß es seit der letzten Nacht keine Widerspenstigkeit mehr gab? Natürlich wußte sie es. Sie wußte alles.
Chantelles Wangen glühten, und sie fand es an der Zeit, das Thema zu wechseln. Rahine übernahm das für sie. »Ich hätte wirklich nicht so lange bleiben sollen. Es wurde Ihnen für eine Woche völlige Bettruhe verschrieben.«
»Eine Woche!«
Rahine mußte wider Willen lächeln. »Mindestens mehrere Tage ohne Unterbrechung.«
»Das wird Jamil nicht gefallen.«
»Wieso nicht?«
Chantelle blickte verlegen zur Seite, ehe sie antwortete: »Er hat mir versprochen, keine andere zu sich zu rufen.«
Rahine hob die Brauen, weil sie wußte, daß Jamil eben in diesem Moment mit Sheelah speiste. Wie konnte er nur so ein Versprechen geben? Aber um fair zu sein – er hatte es nicht direkt gebrochen. Er hatte Sheelah nicht gerufen, sondern war zu ihr gegangen. Hatte er gedacht, keiner würde es erfahren, weil er die Appartements seiner Ehefrauen erreichen konnte, ohne den Hauptharem zu betreten?
Als Rahine schwieg, sah Chantelle sie forschend an. »Hält er seine Versprechen, Rahine?«
»Wenn irgend möglich – ja.« Was hätte sie sonst sagen sollen?
40
Derek wiegte das Baby zärtlich in den Armen. Jetzt fiel ihm alles leichter. Er konnte nun sogar darüber lächeln, wie nervös er gewesen war, als er eines der Kleinkinder zum erstenmal im Arm gehalten hatte – und dabei waren es drei Säuglinge.
In den vergangenen Wochen hatte er sich Jamils Kinder in Zweier-und Dreiergruppen in sein Appartement bringen lassen. Das Kennenlernen seiner Nichten und Neffen hatte den endlosen Nachmittagen, an denen er seine Inaktivität besonders spürte, die Langeweile genommen. Nun war er selbst erstaunt, wieviel Spaß ihm die Zeit mit den Kindern bereitete.
Das kleine Mädchen in seinen Armen hatte flammend rotes Haar wie seine Mutter und große smaragdgrüne Augen. Die Kleine war entzückend wie alle Kinder von Jamil. Daß Derek in ihnen sich selbst sehen konnte, empfand er als besonders faszinierend. Seine eigenen Kinder würden genauso aussehen, vor allem wie diejenigen, die Jamil am meisten glichen. Und wenn er zuerst geboren worden wäre, anstatt ein paar Minuten nach Jamil, hätte er jetzt vermutlich ebenso viele Kinder.
Es war ironisch und beklagenswert, daß er zur Ehe gezwungen wurde, um Robert Sinclair nur einen Urenkel zu bescheren, obwohl Jamil mit sechzehn Urenkelkindern aufwarten konnte, wovon vier Söhne waren. Allerdings durfte der Marquis diese Nachkommen nicht offiziell anerkennen, sonst hätte der Skandal um Melanie Sinclairs Sklaverei seinen guten Namen ruiniert. Ganz England dachte, Melanie sei tot. Rahine nannte sich schon lange nicht mehr so.
Doch das alles stand nicht zur Debatte. Er selbst erlebte einen Moment junggesellenhafter Unentschlossenheit. Es wurde Zeit, daß er
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