Sklavin des Herzens
sterben, war diese Zeit aber noch nicht reif, würde nichts ihnen etwas anhaben können. Doch Derek hielt sein Schicksal für etwas lenkbarer – daß er seinen Lauf mit eigener Geschicklichkeit und Entscheidungskraft verändern konnte.
An diesem Morgen hatte Derek darüber nachgedacht, daß er hier keine wichtigen Aufgaben zu erfüllen hatte, die für ihn fesselnd hätten sein können. Da war es doch kein Wunder, daß er sich auf eine Frau konzentriert hatte. Konnte das der einzige Grund für seine Besessenheit sein, und dafür, daß Haar ihm so wichtig war? Jedenfalls lag es nahe und sorgte für eine Beruhigung seines Gemütes. Wenn die Zeit des Abschieds kommen würde, würde es ihm nicht schwerfallen, diese Episode seines Lebens hinter sich zu lassen. Er würde sich zärtlich an Haar erinnern – nichts weiter.
In seinen Räumen befahl Derek seinem Ankleider, ihn von den Amtsgewändern zu befreien. Der Rest des Tages war nun frei von Pflichten, und Derek beschloß, sich einmal auszuschlafen. Doch das sollte nicht sein. Er wurde informiert, eine Haremsdienerin warte auf ihn.
Als das Mädchen schüchtern vor ihm in die Knie sank, seufzte er ungeduldig. »Letzte Nacht hatte ich sehr wenig Schlaf, und ich habe heute noch nicht gegessen. Kann die Angelegenheit nicht warten?«
Sein persönlicher Diener hörte das und schickte die junge Person sofort weg. Sie war anscheinend froh, ihre Botschaft nicht überbringen zu müssen, und rannte fast aus dem Raum. Darüber wunderte sich Derek.
»Wovor hatte sie Angst?«
Sein Ankleider zuckte die Schultern. »Vermutlich hatte sie schlechte Nachrichten zu übermitteln. Ihr Bruder Mahmud war berüchtigt, weil er die Überbringer schlimmer Kunde einkerkern und manchmal sogar umbringen ließ.«
Dereks Miene verfinsterte sich. »Forschen Sie nach, worum es geht.«
Der Mann kehrte fast augenblicklich zurück und zögerte nun selbst, die Mitteilung loszuwerden. »Das Mädchen wurde von dem Eunuchen Kadar zu Ihnen geschickt, mein Lord. Ihre Sklavin Haar ist … vergiftet worden.«
»Gott, nein!« Alle Farbe wich aus Dereks Gesicht. »Sie kann nicht tot sein!«
»Sie ist es noch nicht, aber …«
Derek hörte sich den Satz nicht zu Ende an. Er rief über die Schulter, während er hinauslief: »Rufen Sie meine eigenen Ärzte sofort in den Harem!«
»Aber, mein Lord, Sie dürfen nicht eintreten …«
Derek rannte den Korridor entlang, den die Frauen benützten, um zum Herrscher zu gelangen. Er blieb stehen, als er Kadars Botschafterin traf, und wollte sie nach dem Weg fragen. Aus seiner Kindheit wußte er noch, wo der Rosa Hof lag, aber nicht, wo Haar wohnte.
Die Dienerin fiel vor ihm auf die Knie nieder und jammerte laut um Gnade. Er mußte sie schütteln, um ihrem Geschrei ein Ende zu setzen.
»Ich will dir nichts antun, verdammt!« Sein Ton war nicht gerade beruhigend. »Führ mich zu Haar!«
»Sie wollen den Harem betreten?«
»Auf der Stelle!« rief er scharf.
Sie zuckte zusammen und rannte voraus, doch Derek war sie nicht schnell genug. Im Harem erregte das Erscheinen des Herrschers ein unglaubliches Aufsehen. Überraschungslaute ertönten, Geschirr krachte auf die Erde, und die Leute warfen sich so rasch zu Boden, daß später von einem verstauchten Handgelenk, zwei gebrochenen Rippen und einem ausgerenkten Kiefer berichtet wurde.
Wenigstens war Shahars Appartement leicht zu finden. Es lag dort, wo sich alle Favoritinnen und Ehefrauen vor der Tür versammelt hatten, zusammen mit ihren Dienerinnen und Eunuchen, um neue Nachrichten, gute oder schlechte, zu hören. Auch hier verursachte Dereks Auftauchen Bewegung, und er mußte über verschiedene hingestreckte Leiber hinwegsteigen, um die Tür zu erreichen. Eine Sekunde lang blieb er stehen, als von innen ein gequälter Schrei erscholl.
Mein Gatt, laß sie nicht sterben. Bitte, nicht sie. Er hielt vor dem Schlafraum inne. Die Vorhänge waren zurückgezogen, um ein ungehindertes Kommen und Gehen zu gewährleisten. Das Zimmer war voll von Frauen, hauptsächlich von den alten, die sich um geringfügige Krankheiten im Harem kümmerten. Auch Kadar war anwesend. Er kniete vor dem Bett, die Fäuste in seinem Haar, als wolle er es sich vor Verzweiflung ausreißen. Ein junges Mädchen kauerte auf der anderen Seite des Bettes. Tränen rannen ihm über die Wangen, und es legte kalte Kompressen auf Shahars Stirn.
Eisige Angst verzögerte Dereks Schritt. Er sah nur die bemitleidenswerte Gestalt auf dem Bett. Sie lag
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