Sklavin des Herzens
christliche Gefangene oder verkauften sie als Sklaven – ohne Ausnahme. Was würden solche Menschen als Leid ansehen, das einer Frau angetan wurde? Sicher nicht dasselbe, was sie dafür hielt.
Als die Tür sich später an diesem Morgen schließlich öffnete, erschien nicht der Matrose, mit dem Chantelle geredet hatte. Vier Männer kamen herein, zwei mit nackter Brust, ein großer Dünner mit einem langen weißen Gewand und ein beeindruckender Bursche in einer schimmernden Seidenjacke über weiten türkischen Hosen.
Alle trugen Turbane und besaßen scharfe Gesichtszüge, jedoch eine helle Haut. Mit Ausnahme des Weißgewandeten hatten sie lange, krumme Säbel an ihren Gürteln befestigt.
Chantelle richtete sich sofort auf, doch sie erhob sich nicht, da sie nur in die Decke eingewickelt war, die sie bis zum Kinn hochgezogen hatte. Gefangen in dem kleinen Raum, mit riesigen angstvollen Augen und durchsichtiger farbloser Haut, merkte sie nicht, wie sie die Kerle verblüffte, besonders den Kapitän, der sie zum erstenmal deutlich sah. Augen, wie Chantelle sie besaß, kannten diese Menschen nicht. Und das silberblonde Haar, dessen eine Locke über die Wolldecke fiel und die prächtige, bis zu den Hüften reichende Länge verriet, wurde im Osten gerühmt. Die Matrosen hatten noch nie so helles Haar gesehen. Das Gesicht der jungen Frau war äußerst fein und ebenmäßig. Falls ihr Körper diesem Gesicht entsprach, würde sie ein Vermögen wert sein. Sollte sie auch noch Jungfrau sein, konnte sich ihr Preis verzehnfachen.
Genau hierüber wollte Rais Mehmed sich Gewißheit verschaffen, denn der Komfort, den Chantelle während dieser Reise genießen würde, hing von ihrem Wert ab. Außerdem – falls sie keine Jungfrau mehr war, gab es für ihn, Rais Mehmed, keinen Grund, sich oder seiner Mannschaft auf der langen Heimfahrt die Benutzung ihres Körpers zu verwehren. Die meisten seiner Männer trieben Unzucht mit Tieren, aber nur notgedrungen. Eine Frau an Bord bedeutete einen Segen – wenn sie keine Jungfrau mehr war. Mehmed begann zu hoffen, daß sie keine war.
»Sie hat panische Angst, Rais«, stellte der weiße Eunuche an seiner Seite fest. »Sollten Sie nicht Hakeem herholen, damit er ihr erklärt, daß es sich nur um eine einfache Prozedur handelt?«
Mehmed schüttelte den Kopf, ohne den Blick vom Gesicht des Mädchens zu nehmen. »Er muß ihr Freund werden, wenn er ihr helfen soll, sich in ihr Schicksal zu fügen. Je mehr er ihr über ihr neues Leben beibringen kann, desto anpassungsfähiger und demnach auch wertvoller wird sie sein. Wenn er jetzt hier wäre, würde sie ihm später nie vertrauen und auch nichts von ihm lernen wollen.«
»Dann bringen Sie es hinter sich, ehe sie ohnmächtig wird.«
Chantelle wurde nicht ohnmächtig. Sie schrie gellend, bis ihr ein Tuch in den Mund gestopft wurde, und sie wehrte sich wild, doch ohne Erfolg. Ihre Arme wurden unter der Decke festgehalten, ihr Rücken gegen den Boden gedrückt, wobei der Mann in der Seidenjacke sich auf ihren Oberkörper legte. Sie trat um sich, obwohl das die Decke von ihren Beinen rutschen ließ. In Sekundenschnelle wurde jeder ihrer Füße von einem Mann gepackt, die Knie weit auseinandergerissen und auf die Erde gepreßt.
Ihre Augen waren groß vor Entsetzen, und sie erwartete das Schlimmste. Sie konnte nicht über die breite Brust des Seidenjakkenmannes schauen, dessen Hände ihre Schultern hielten und dessen Gewicht auf ihrem Magen lastete. Sie wußte nicht, daß die Matrosen, die ihre Beine auf den Boden drückten, den Befehl erhalten hatten, sie nicht anzusehen, und daß der Weißgewandete ein Eunuche war, der sie nicht vergewaltigen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Sie wußte auch nicht, daß er diese Untersuchung allen weiblichen Gefangenen antat. Sie spürte nur, was geschah – den Schock, daß etwas zwischen ihre Beine geschoben und in ihren Körper eingeführt wurde, das schmerzhaft sondierte und sich dann zurückzog. Sie glaubte, sie sei vergewaltigt worden, und ahnte nicht, daß sie gerade den Test bestanden hatte, der sie vor der Vergewaltigung rettete, jedenfalls, solange sie sich auf dem Schiff befand.
Die Decke wurde über ihre Beine gezogen, und Chantelle dachte, daß wohl nur ein Mann ihr Gewalt antun durfte. Man ließ ihre Knie los, und die Kerle sprachen miteinander. Sie versuchte nicht, sich zu rühren. Eine tiefe Depression ergriff von ihr Besitz. Sie hatte das Schlimmste befürchtet, und das Schlimmste war
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