Sklavin des Herzens
eingetroffen. Nichts anderes zählte im Moment.
Die beiden Männer mit der nackten Brust verließen den Raum, ehe der Mann in der Seidenjacke sie von seinem Gewicht erlöste. Es war ihr egal, daß er sie mit sich hochzog. Doch sie versuchte ihn zu beißen, als er ihr die Decke wegriß. Sie griff danach, doch dann bedeckte sie ihre Brüste mit den Händen.
Es war die letzte Demütigung, auf solche Art aller Würde beraubt zu werden. Diese Menschen waren Tiere, und die junge Frau sagte es ihnen, wenn sie auch kein Wort verstanden. Chantelles Verachtung und Wut brauchte nicht übersetzt zu werden.
»Beim Barte des Propheten, sie ist großartig«, stieß Rais Mehmed hervor, und er wirkte plötzlich atemlos. Nie in seinem Leben war ihm so eine Frau begegnet.
»Sie hat Geist«, meinte der Eunuche.
»Solche Kurven …«
»Sie könnte dicker sein.«
»Ich würde nicht das geringste an ihr ändern.«
»Sie haben einen ausgefallenen Geschmack«, erklärte der Eunuche. »Außerdem ist sie nicht für Sie bestimmt. Aber Hamid Sharif wird sich freuen.«
Mehmed grunzte, denn Hamid Sharif, der Besitzer des Schiffes, hatte schon vier Frauen, die ihn mit ihrer Nörgelei fast in den Wahnsinn trieben. »Er sollte sie lieber verkaufen, dann bekämen wir mehr Geld. Vielleicht könnte er mit dieser einen sogar den Herrscher reizen, obwohl der schon lange keine neuen Frauen mehr für seinen Harem erworben hat.«
»Es ist nicht unser Problem, wer sie schließlich kauft, Rais, aber Sie müssen dafür sorgen, daß sie in gutem Zustand bei Hamid Sharif abgeliefert wird.«
Mit diesen Worten händigte er Chantelle die Decke aus und bedachte die junge Frau mit einem entschuldigenden Lächeln. Mehmed lachte laut, als er sah, wie sie die Decke nahm, sich darin einhüllte und vor die Füße des Eunuchen spuckte.
6
Caroline Douglas zügelte ihre flink trabende Stute und wartete darauf, daß Derek sie einholen würde. Sie hatte nicht erwartet, daß er sie diesen Nachmittag anrufen und einen gemeinsamen Ausritt vorschlagen würde, nachdem er wußte, daß ihr Vater Gäste hatte. Doch nun hatte sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt und ihren neuen Reitanzug aus dunkelblauem Wollstoff mit hellblauer, taillierter Satinjacke angezogen, der wie ein Männeranzug geschnitten war. Der maskuline Stil der Kombination, die von einem Herrenschneider kreiert worden war, galt als neueste Mode, und Caroline wußte, daß ihr diese Farben zu ihrem roten Haar besonders bezaubernd standen.
Unter dem Rand ihres großen Hutes beobachtete sie, wie Derek sich näherte. Sie bewunderte seinen Umgang mit dem halbgezähmten Hengst, den er ritt. Vollblutpferde zu züchten, betrachtete er nur als Hobby, doch sein Stall brachte einige der edelsten Exemplare Englands hervor, und viele von ihnen wurden berühmte Rennpferde. Ihre eigene Stute war ein Geschenk Dereks, das er ihr überreicht hatte, als er um ihre Hand angehalten hatte. Sie liebte das Tier. Sie liebte Derek. Mit einem leisen Seufzer überlegte sie zum hundertsten Male, ob es nicht ein Fehler war, ihren besten Freund zu heiraten.
Nein, sie durfte nicht grübeln. Sie hatte schon zwei Männern den Laufpaß gegeben – zu ihres Vaters profundem Mißfallen. Sie konnte das nicht schon wieder tun, schon gar nicht bei Derek Sinclair, dem Grafen von Mulbury. Sie wollte ihn ja heiraten – wirklich.
Eine perfektere Verbindung konnte sie sich nicht vorstellen. Auf benachbarten Gütern waren sie zusammen aufgewachsen. Sie kannten einander so gut. Ihr Vater schätzte ihn wie einen Sohn. Hinzu kamen noch Dereks Charme, sein blendendes Aussehen, seine sanfte Natur. Natürlich war er ein sinnlicher Mensch, aber das konnte sie ihm nicht als Fehler anrechnen, vor allem nicht, wenn seine Küsse ihr das Gefühl gaben, die begehrteste und am meisten geliebte Frau der Welt zu sein. Das Problem hierbei war, daß sie fürchtete, er würde in jeder Frau dieses Gefühl erwecken – und er hatte so viele Frauen gehabt, so viele gleichzeitig!
Er hatte ihr über jede Eroberung berichtet, wie sie ihm von ihrer ersten Verliebtheit und allen folgenden erzählt hatte. Was das betraf, hatten sie keine Geheimnisse voreinander. Er hatte geschworen, sie glücklich zu machen. Sie glaubte, daß er das konnte. Sie wußte, daß er seine Liebschaften aufgegeben hatte, als er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Die Liebschaften … sie betrafen die Hälfte aller Mädchen im Haus seines Großvaters. Es war nicht so, daß sie nicht glaubte, er
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