Sklavin des Herzens
Hoffnung, später einmal über sich selbst lachen zu können, wegen der Konstruktion von Problemen, die nicht vorhanden waren. Nun war es »später«, und es gab immer noch nichts zu lachen. Die junge Frau war reizvoller, als er sie in Erinnerung hatte: ätherisch, biegsam – und sein.
Aber eine Jungfrau. Das mußte er unbedingt im Kopf behalten, sonst hätte er sie direkt in sein Bett getragen.
»Setzen Sie sich auf und sehen Sie mich an.«
Nicht »Lassen Sie sich anschauen«, denn das tat er bereits, Fluch seinen Augen!
Chantelle hatte sich beim Klang seiner Stimme gestrafft, doch sonst rührte sie sich nicht. Sie hätte sich zwar gern aufgerichtet, doch sie fürchtete, daß dann ihre Defloration in Windeseile stattfinden würde.
»Sie wissen, daß Sie mir in allen Dingen gehorchen müssen, Haar, doch ich bitte Sie nur um eines: daß Sie mich ansehen. Ist das so ein unvernünftiges Ansinnen?«
Seine Stimme war ruhig, fast zärtlich, und doch handelte es sich um dieselbe Stimme, an die sie sich erinnerte: ein wenig heiser, mit einem tiefen Timbre, und fähig, im einen Moment ein Mädchen zu brutaler Vergewaltigung zu verurteilen, dann den Befehl rückgängig zu machen und ohne innere Anteilnahme zu fragen, ob er den Fehler in ihren Augen nicht wiedergutgemacht habe. Dieser Mann konnte in ihren Augen seine Ehre nie wiederherstellen, ganz gleich, was er tat.
Aber nun, da sie sich erinnerte, was für ein kaltherziger Bastard er war, vermochte sie seinem Blick zu begegnen, ohne ihre Angst zu zeigen. Von ihrem Haß war sie allerdings nicht so sicher, ob sie ihn verbergen könnte.
Als sie sich auf ihre Fersen setzte, sah sie nicht nur Jamil, sondern auch seine beiden Leibwächter, die mit dem Rücken zur Wand rechts und links neben einem Vier-Pfosten-Bett standen. Jamil lehnte sich mit den Hüften gegen das Fußende des hohen Bettes, die Füße übereinandergeschlagen und die Arme über der Brust gekreuzt. Seine Pose war in ihrer zwanglosen Lässigkeit so urenglisch, daß Chantelle vor Überraschung beinahe der Atem stockte. Gott sei Dank nahm die fernöstliche Kleidung einen Teil des Effektes weg und erinnerte die junge Frau daran, daß Jamil nichts Englisches an sich hatte. Da er als barbarischer Ungläubiger erzogen worden war, zählte das Blut nicht.
»Sie dürfen sprechen, wie Sie wissen.«
Ihr Blick senkte sich wieder, ihre Finger spielten mit einer Reihe der vierfachen Perlenkette, die Rahine ihr um den Hals gelegt hatte, ehe sie aus den Bädern geführt worden war.
»Ich habe nichts zu sagen.«
»Weichen Sie nicht zurück, Haar. Schauen Sie mich wieder an, oder, noch besser, kommen Sie näher.«
»Darf ich gehen, oder muß ich kriechen?«
»Seien Sie nicht frech. Wenn ich Sie kriechen lassen wollte, würde ich es sagen.«
Röte stieg glühend in ihre Wangen. Das würde er wohl sagen, dieser Schweinekerl. Doch durch die Knappheit seines Tones war sie gewarnt, daß sie ihre Gedanken nun besser für sich behielt.
Die akute Bedrohung beschleunigte ihren Puls, während sie sich langsam erhob und den Abstand zwischen ihm und ihr verringerte. Ihr Blick traf den seinen jedoch nicht wieder, und sie konnte nicht sagen, ob er sich über ihre ständige Abwehr ärgerte.
Sie beobachtete ihn, wie er sich von dem Bett abstieß, so daß er vor ihr stand, als sie sich ihm bis auf Armeslänge genähert hatte. Mit ausgestreckten, gespreizten Beinen nahm er eine arrogante Haltung ein – falls sie je eine gesehen hatte. Er breitete die Arme aus, und dann spürte sie, wie seine Finger über ihre Wange glitten.
Seine Fingerspitzen waren so heiß, daß sie an Feuer dachte. Erstaunlicherweise zuckte sie nicht mit der Wimper, doch ihr Blick blieb auf das tiefe V seiner weißen Tunika und das Tigeraugenmedaillon geheftet, das dort auf seiner Haut lag. Es war eine bronzefarbene Haut, in der Nähe des V mit krausem schwarzem Haar bedeckt, was sie irritiert feststellen ließ, daß er keine Enthaarung erdulden mußte. Bei diesem Gedanken kam es ihr wieder zum Bewußtsein, daß sie, entgegen den Regeln, auch nicht völlig enthaart war. Wie würde er darauf reagieren? Daß sie sich diese Frage überhaupt stellte, zeigte ihr, wie sehr sie die Tatsache schon akzeptiert hatte, bald einer gnadenlosen Inspektion unterworfen zu sein, die ihren »sündhaften« Zustand preisgab.
»Wollen Sie mit mir zu Abend essen?«
Nachdem sie jeden Augenblick erwartet hatte, auf sein Bett geworfen zu werden, ließ die Widersinnigkeit dieser Frage
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